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Full text of "Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften"

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Ostwald 's 
lassiker der 

exakten 

Wissenschaf. 




SEP 2B 195D 

3 7^7 





5i rkaxi funa 



Allgemeine Grundlagen 

einer 

Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten 

im Zustand des Gleichgewichts, 

Von 

Carl Friedrich Gauss. 

(Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingen sis 
recentiores Vol. VII. 1830, geschrieben 1829.) 

Uebersetzt 
von 

Rudolf H. Weber 

(Heidelberg). 

Herausgegeben 
von 

H. Weber 

(Strassburg). 

Mit 1 Figur im Text. 
+ « »» 

Leipzig 
Verlag von Wilhelm Engelmann 
1903. 



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no. 1 3 s" 

cAj »Aj (A» cAj cAj (A» «A» »A> cA-» cAj «A» tA» tA> 

003 



Allgemeine Grundlagen 

einer Theorie der Gestalt yod Flüssigkeiten 

im Zustande des Gleichgewichts. 

Die Kräfte, die das Aufsteigen oder Herabdrücken von 
Flüssigkeiten in Capillarrehren verursachen, hat zuerst eingehend 
Clairaut aufgezählt. Da er aber das Gesetz der Kräfte über- 
haupt nicht berührt hat, so konnten keine Früchte für eine 
mathematische Behandlung der Erscheinungen daraus gewonnen 
werden. Die gewöhnliche Anziehung, die dem Quadrate des 
Abstandes umgekehrt proportional ist, und die alle Bewegungen 
am Himmel mit so gutem Erfolge darstellen lässt, kann weder 
bei der Erklärung der Capillarerscheinungen, noch der der Ad- 
häsion oder Cohäsion Anwendung finden; es lehrt nämlich eine 
richtig aufgestellte Berechnung, dass eine nach diesem Gesetze 
wirkende Anziehung eines beliebigen Körpers, der zur Aus- 
führung von Experimenten geeignet ist, d. h. dessen Masse im 
Vergleich mit der der Erde vernachlässigt werden kann, auf 
einen beliebig gelegenen, sogar den Körper berührenden Punkt 
im Vergleich mit der Schwere verschwinden muss*). Wir 
schliessen hieraus, dass jenes Anziehungsgesetz in den kleinsten 
Abständen mit der Wahrheit nicht mehr tibereinstimmt, sondern 
dass es eine Modification erfordert. Mit anderen Worten: die 
Partikeln der Körper üben ausser jenen anziehenden Kräften noch 
eine andere Kraft aus, die nur in den kleinsten Abständen merklich 
ist. Alle Erscheinungen beweisen übereinstimmend, dass dieser 



*) Die grösste Anziehung, die eine gegebene homogene Masse 
auf einen gegebenen Punkt nach diesem Gesetze ausüben kann, 
verhält sich zu der Anziehung, die die gleiche Masse, wenn wir 
sie in Kugelgestalt überführen . auf einen auf ihrer Oberfläche ge- 

legenen Punkt ausübt, wie 3 : } 25 . Diese letztere Anziehung aber 
lässt sich leicht mit der Schwere vergleichen. 

1* 



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4 



Carl Friedrich Gauss. 

< 



zweite Theil der anziehenden Kraft (die Molecularanziehung) 
auch in den kleinsten noch messbaren Abständen unmerklich 
ist. Dagegen kann er in unmessbar kleinen Abständen den 
ersten (dem Quadrat des Abstandes umgekehrt proportionalen) 
Theil weitaus überwiegen. 

Laplace hat, von dieser einzigen Voraussetzung über die 
Beschaffenheit der Molecularkräfte ausgehend, im Uebrigen aber 
ohne irgend welche Annahmen über das Gesetz des Abnehmens 
der Kräfte bei zunehmenden Abständen, zuerst die Einwirkung 
derselben auf die Form von Flüssigkeitsoberflächen einer strengen 
Rechnung unterworfen. Er hat die allgemeine Gleichung für 
die Gleichgewichtsform aufgestellt und daraus nicht nur die 
eigentlichen capillaren, sondern auch manche damit verwandte 
Erscheinungen zu erklären vermocht. Diese Untersuchungen, 
die in der auffälligen Uebereinstimmung mit sorgfältigen Ex- 
perimenten ihre Bestätigung gefunden haben, zählen zu den 
schönsten Bereicherungen der Naturwissenschaft, die wir dem 
grossen Mathematiker verdanken. Die von einigen Autoren 
gegen sie gerichteten Entgegnungen aber sind meist von ge- 
ringem oder gar keinem Belang*). 

Bei den Berechnungen von Laplace finden wir gleichwohl 
einiges, was mit einer strengen Beweisführung nicht völlig ver- 
träglich ist. In der ersten Abhandlung: >thöorie de l'action 
capillaire « , bezeichnet Laplace mit (/ [f) die Intensität der An- 
ziehung im Abstände f und führt weiter folgende Zeichen ein: 

ß P (f)df = n[x) 

x 

fWffdf= V{x) 

X 

2;cfH'{f)df= K 

0 

2nf¥(ntdf=II. 

0 

Die Form der Function rp(f) wird weiter nicht bestimmt, nur 



* Dieses Urtheil gilt von den meisten Entgegnungen in der 
Zeitschrift von Pavia 'öiornale di fisica etc. T. 9j, auf die Petit in 
den »Annales de chimie et de physique« T. 4 treffend erwidert hat. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 5 



wird festgesetzt, dass sie unmessbar kleine Werthe annimmt, 
wenn f messbare Grössen erreicht. Aber aus dieser einen An- 
nahme darf keineswegs geschlossen werden, dass auch ülf) 
und l ¥[f) für messbare Werthe f unbedingt unmessbar klein 
werden. Ebenso wenig geht daraus hervor, dass die Integrale 
2 7t5ip(f) df; 2 7i$(fj(f) fdf von/"=0 bis zu einem endlichen, 
aber messbar grossen Werthe von f integrirt, nur noch un- 
messbar wenig von K und H abweichen, wie in der Abhand- 
lung angenommen ist. Denn es lassen sich unendlich viele 
Formen der Function rp(f) denken, die der Grundhypothese 
zwar genügen, bei denen aber ein solcher Schluss irrig wäre. 
Wenn z. B. angenommen wird, dass (p {/) die vollständige An- 
ziehung ausdrückt, so rauss auch ein Glied der Form ajf darin 
enthalten sein, das die gewöhnliche Massen- Anziehung darstellt. 
Wenn aber auch dieses Glied als unmessbar klein anzusehen 
ist, wenn die Dimensionen der anziehenden Körper, wie sie 
in Experimenten vorkommen können, gegenüber der ganzen 
Erde unmessbar klein sind, so würde doch schon die zweite 
Integration, wenn sie ins Unendliche erstreckt wird, einen un- 
endlich grossen Term der Function ip'f) liefern. Wenn aber 
auch hierdurch der Schein einer leichten Unachtsamkeit er- 
weckt wird, so betrifft diese doch sicherlich mehr die Form 
der Darstellung, als die Sache selbst. Aus der zweiten Ab- 
handlung: > Supplement a la th£orie de l'action capillaire«, geht 
nämlich hervor, dass Laplace stillschweigend unter (p (f) nicht 
die gesammte Anziehung, sondern nur den Theil verstanden 
hat, der zu der gewöhnlichen Anziehung hinzutritt. Denn es 
ist leicht einzusehen, dass die letztere keine merkliche Ver- 
änderung bei unseren Experimenten bedingen kann. In der 
That bemerkt er, dass er sich (p (f) nach Art einer Exponential- 
function e~ vorstellt, worin i sehr gross ist, oder, besser ge- 
sagt, worin \ji eine sehr kleine Länge bedeutet. Aber es ist 
keineswegs nöthig, die Allgemeinheit so sehr zu beschränken. 
Denn wer mehr auf die Sache als auf die Worte sieht, bemerkt 
leicht, dass es gentigt, wenn man jene Integration nicht bis 
ins Unendliche, sondern nur bis zu einer willkürlichen mess- 
baren Entfernung erstreckt oder, wenn man so will, bis zu 
einer endlichen Entfernung, die an Grösse alle im Experiment 
auftretenden Dimensionen übertrifft. 

Jedoch an einem weit schwerer wiegenden Mangel leidet die 
Lopfaee'sche Theorie, und den haben, so viel ich sehe, seine 
Angreifer nicht einmal bemerkt. Die Theorie besteht aus zwei 



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Carl Friedrich Gauss. 



Theilen. Im einen wird für die freie Oberfläche der Flüssig- 
keit eine allgemeine Gleichung zwischen den partiellen Diffe- 
rentialen der Coordinaten aufgestellt. Diese Gleichung hängt 
aber von der anziehenden Molecularkraft ab, die die Flüssig- 
keitstheilchen wechselseitig auf einander ausüben. Und dieser 
Theil ist so durchgeführt, dass nichts Wesentliches hinzuzu- 
setzen bleibt. Aber eine solche Gleichung zwischen partiellen 
Differentialen (deren Integration, wenn überhaupt möglich, will- 
kürliche Functionen liefert) genügt nicht zur vollständigen Be- 
stimmung der Oberflächengestalt. Diese erfordert vielmehr eine 
neue Bedingung, die eine Eigenschaft der Oberfläche an den 
Grenzen ausdrückt. Eine solche Bedingung stellt der zweite 
Theil der Theorie auf, nämlich die, dass der Winkel constant 
ist, den die Tangentialebene an die freie Oberfläche an der 
Grenze des Gefasses (oder genauer an der Grenze des Bereiches 
der merkbaren anziehenden Kraft der Gefässwandung) mit der 
Tangentialebene an die Gefässwand an eben der Stelle ein- 
schliesst. Dieser Winkel ist nämlich bestimmt durch das Ver- 
hältniss der Molccularkräfte des Gefasses und der Flüssigkeit, 
und er ist nur insofern constant, als die Continuität der Gefäss- 
form in der Nachbarschaft der freien Oberfläche nirgends unter- 
brochen ist. Aber diesen für die ganze Theorie wichtigen Satz 
hat Laplace nicht durch Rechnung bewiesen; denn was er auf 
Seite 5 der ersten Abhandlung darauf bezügliches beibringt, ist 
nur eine undeutliche Ausführung und setzt das zu Beweisende 
bereits voraus. Die Rechnungen Seite 44 u. f. führen nicht 
zum Ziel. In der zweiten Abhandlung aber wird die Steighöhe 
von Flüssigkeiten in Capillaren nach anderer Methode behandelt. 
Die Ergebnisse dieser vereint mit der ersten Methode liefern 
eine Formel (und zwar die richtige) für den erwähnten Winkel 
"zwischen den Tangentialebenen. Es ist aber zu bemerken, dass 
hier eigentlich schon vorausgesetzt wird, dass der Winkel con- 
stant ist. Ausserdem beschränkt sich die an sich schon wenig 
befriedigende Methode auf einen sehr speciellen Fall, nämlich 
den, dass das Gefäss prismatisch ist und vertieale Wände be- 
sitzt. Nach diesen Erwägungen muss man zugeben, dass die 
von Laplace aufgestellte Theorie in wesentlichen Punkten bis 
jetzt noch unzureichend und unvollständig ist. 

Wir wollen deshalb die Theorie der Gleichgewichtsfigur von 
Flüssigkeiten, die unter dem Einflüsse der Schwere und der 
von ihr selbst und dem Gefässe ausgeübten Molecularkräfte 
stehen, von neuem wieder aufnehmen. Hierbei werden wir 

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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 7 



eine wesentlich andere Methode anwenden, die wir aus den 
Grundprincipien der Dynamik ableiten, und wir wollen von 
Anfang an die grösste Allgemeinheit bewahren. Diese Unter- 
suchung führt zu einem ausgezeichneten neuen Theorem, das 
die vollständige Theorie in einer einzigen sehr einfachen Formel 
enthält. Aus dieser lassen sich leicht die beiden Theile der 
Laplace sehen Theorie ableiten. 

1. 

Um eine Gleichgewichtsgleichung für ein System beliebig 
vieler Massenpunkte, deren Bewegungen irgend welchen Be- 
dingungen unterworfen sind, aufzustellen, eignet sich am besten 
das Princip der virtuellen Verschiebungen, das wir folgender- 
maassen aussprechen. 

Es möge ein System aus den Massenpunkten ra, in, m" etc. 
bestehen, und in diesen Punkten seien Massen concentrirt, die 
wir mit denselben Buchstaben bezeichnen wollen. Ferner sei 
P eine der beschleunigenden Kräfte, die auf den Punkt in 
wirken. Denken wir uns nun dem System irgend eine unend- 
lich kleine mit den Bedingungen verträgliche Bewegung (virtuelle 
Verschiebung) zuertheilt, so soll dp die Verschiebung des Punktes 
in in Richtung der Kraft P bedeuten, d. h. also die Verschie- 
bung multiplicirt mit dem Cosinus des Winkels, den sie mit 
der Richtung der Kraft P bildet. Es sei endlich — Pdp die 
Summe aller solcher Produkte, die man bilden kann unter Be- 
rücksichtigung aller im Punkte in angreifenden Kräfte. In 
gleicher Weise soll P' die auf den Punkt in' wirkenden Kräfte, 
dp' die Projectionen der Verschiebungen auf die Kraftrichtungen 
bezeichnen, und ebenso für die übrigen Punkte. 

Die Gleichgewichtsbedingung für das System besteht nun 
darin, dass die Summe 

m2Pdp -f- m'ZP'dp + m"2P"dp" -\ 

für jede virtuelle Verschiebung verschwindet. Es ist dies die 
allgemein gegebene Fassung des »Princips der virtuellen Ver- 
schiebungen«. Strenger genommen darf diese Summe für keine 
virtuelle Verschiebung positive Werthe annehmen. 

2. 

Die hier in Betracht kommenden Kräfte können in drei 
Klassen zerlegt werden. 



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Carl Friedrich Gauss. 



I. Die Schwere. Ihre Intensität kann für die einzelnen 
Punkte als gleich, ihre Richtungen als einander parallel an- 
gesehen werden. Wir bezeichnen sie mit dem Buchstaben g. 

II. Die anziehenden Kräfte, die die Punkte m, tri, m" u. s. w. 
auf einander ausüben. Die Grösse dieser Anziehung setzen wir 
proportional einer Function des Abstandes an, d. h. gleich dem 
Product aus dieser Function — die wir durch das Zeichen f 
charakterisiren wollen — und der in dem anziehenden Punkte 
concentrirten Masse. 

III. Die Kräfte, mit denen die Punkte 771 f m' } 771 " U. S. f. 
nach irgend welchen festen Punkten hin angezogen werden. 
Zur Bezeichnung dieser Kräfte möge in gleicher Weise, wie 
vorher, der Buchstabe F, der dem jeweiligen Abstand voran 
zu schreiben ist, dienen. Die festen Punkte selber, sowie auch 
die in ihnen concentrirt gedachten Massen mögen mit J/, M\ M" 
etc. bezeichnet werden. 

Wir wollen nun noch den Abstand der zwei Punkte m und 
77i' mit dem Zeichen (/», m'), den Abstand von m und M mit 
[m, M) bezeichnen u. s. f. Endlich seien die verti- 

calen Höhen der Punkte ?«, m', m" . . . über einer willkürlich 
festzulegenden Horizontalebene //. Der Complex 2Pdp enthält 
dann folgende Glieder: 



Es sind hier d l(m f m' )d \[m,m") u. s. w. partielle Differentiale y 
d. h. sie beziehen sich nur auf die virtuelle Verschiebung des 
Punktes m. 

Wir wollen hier an Stelle von f diejenige Function einführen, 
durch deren Differentiation f entsteht. Es sei also 



Die Integrationsconstante kann hier beliebig gewählt werden. 
Wenn es zweckmässig scheint, mag sie so bestimmt werden, 
dass f(oo) = 0 wird. Es bezeichnet dann (p [t] das bestimmte 
Integral : 



— gdx 

— 771' f [77i t 77i )d{7n t m) — m" f(m,m")d(m,m") 

— m"f[m,m''')d{m,m"') . . . etc. 

— MF[m,M)d[m,M) — M'F[m,M')d{m,M') 

— tf'F{m,M")d(m,M") . . . etc. 



— f(x)dx = dfp{x) 



oder: 




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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 9 

X = QO 

ff(x)dx. 

x-t 

In gleicher Weise führen wir an Stelle von F eine Function 
Ü* ein, die gegeben ist durch die Gleichung: 

— F[x)dx = d®(x). 

Es wiid jetzt 

2Pdp = 

— gdz 

+ m'd(p{m,m') + m"drp[vi,m") + vi" d(p{m,vi'") + • • • 
+ 3/d<D(m,3/) + M'dO{vi,M') + M"dcp{m,M") H 

und hierin sind wieder die Differentiale der zweiten Zeile partielle 
Differentiale, die nur von der Verschiebung von vi abhängen. 

Es hat offenbar jedes dieser Differentiale seine Ergänzung 
in einem anderen Complex. So enthält sowohl der Complex 
m^Pdp als auch der Complex vi* 2P' dp' das partielle Diffe- 
rential m m' d(p{m,m') y aber im einen bezieht sich das partielle 
Differential d nur auf die Bewegung von vi, im anderen nur 
auf die von vi. Es geht hieraus hervor, dass die in Abschnitt 1 
aufgestellte Summe ein vollständiges Differential bildet, das 
= dQ ist, wenn wir setzen: 

O = 

— gmz — gvi'% — gm"z" • • • • 

-f- mm' cp(m,vi') -f mm" (p[m,vi) + mm'" (p[vi,vi"') + •••• 

+ m f vi'cp{vi/m") + m'm'" cp(vi f 'vi"') + • • • • 

+ " tn i " rrr\ • 
vi vi cp ( m, vi )+•••• 

-{- viMa>[m,M) + viAf'®{m.,M') + viM" <D(vi,M") + 

-h m' M®(m,'M) + m'M' ®(m,'M') + vi' M" tf> (m/ JT ) -f- .... 

+ m"MQ{m;'M) + m"if <Z>(m/^/') + m"tf'(D{m;'M") H 

j ■ • • » • 

Die Gleichgewichtsbedingung besteht demnach darin, dass 
der Werth der Function £2 durch keine virtuelle Verschiebung 
einen positiven Zuwachs erlangen kann, oder, was dasselbe ist, 
dass Q ein Maximum ist. 

Wir können die Function Q auch in der Form schreiben: 

{2=2m{— ^Ä+i-w*V/5(w*,?»')+^w'V/?(w / w'')+^w , ''y(w / w // ')H 

+ MO [m, M) + M' O [m, M' ) + M"0 (m, M") + . . • • } 



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Carl Friedrich Gauss. 



Hierin soll das Zeichen «2 ausdrticden, dass über alle die Aus- 
drücke summirt werden soll, die man erhält, wenn in vorstehen- 
der Form nach einander m mit m\ m", m" u. s. w. vertauscht 
wird. 

3. 

Wenn wir uns an Stelle discreter Punkte M, M\ M" . . . 
einen Körper denken, der continuirlich einen Raum S mit gleich- 
förmiger Dichte = C erfüllt, dann tritt an Stelle der Summe 

M0(m,M) + M'OUn.M') + M"®[m,M") + etc. 
das Integral 

CfdS<D[m,dS , 

das über den ganzen Raum S zu erstrecken ist. Es bezeichnet 
hier analog der früheren Bedeutung (m,dS) den Abstand des 
Punktes m von jedem Raumelemente dS des Raumes S. 

Wenn nun ferner an Stelle der discreten Punkte m, iri, in 
etc. ein eontinuirlicher Körper tritt, der einen Raum s mit 
gleichförmiger Dichte = c erfüllt, dann erfordert die Berech- 
nung von £2 eine zweifache Integration. 

Es ergiebt sich dann zunächst für einen vorerst noch un- 
bestimmten Punkt u ein Werth 

— 9* + \<{fds<p{u,ds) + CfdS 0{p,dS) , 

worin z die Höhe des Punktes u über der Ebene II bedeutet, 
und das erste Integral über den ganzen Raum s, das zweite 
über den ganzen Raum S zu erstrecken ist. Dieser Werth 
hängt nur von der Lage von <u ab. Bezeichnen wir ihn mit 
[ju], so wird 

Q = cfds [u], 

und hierin ist die Integration wieder über den ganzen Raum 8 
zu erstrecken. 

Wir können das kurz ausdrücken durch: 

& = —gcfzds + \ciffdsds'(f> [d8,ds) -f- Cc JfdsdSQ>{ds,dS). 

Hierin bezeichnen s und s beide ein und denselben Raum 
(nämlich den vom beweglichen Körper erfüllten). Er muss aber 
zweimal in seine Elemente aufgelöst werden zum Zwecke der 
doppelten Integration. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 11 



4. 

Das charakteristische Merkmal flüssiger Körper besteht in 
der vollkommenen Beweglichkeit selbst der kleinsten Theilchen. 
Sie können also beliebige Formen annehmen und müssen auch 
den denkbar kleinsten Kräften, die ihre Formen zu verändern 
suchen, nachgeben. In inexpansibeln (tropfbaren) Flüssigkeiten, 
mit denen sich unsere Untersuchung beschäftigen soll, niuss 
bei allen Formänderungen das Volumen eines jeden Theiles 
constant bleiben. Betrachten wir aber einen flüssigen Körper, 
dessen Bewegung durch einen unbeweglichen festen Körper 
(ein Gefäss) begrenzt wird, und auf dessen Theilchen ausser 
der Schwere die wechselseitige Anziehung der Theilchen unter 
einander und die Anziehung der Gefässtheilchen wirken mögen, 
so erfordert die Gleichgewichtsbedingung, dass der Werth von 
£2 ein Maximum sei, das heisst, es darf keine unendlich kleine 
Verschiebung der Flüssigkeitstheiichen einen positiven Zuwachs 
von Q verursachen. Da aber offenbar der Werth von £2 nur 
dadurch geändert werden kann, dass sich die Gestalt des 
Raumes, den die ganze Flüssigkeit erfüllt, ändert (und nicht 
durch eine alleinige Bewegung im Inneren der Flüssigkeit), so 
wird Gleichgewicht herrschen, wenn bei keiner unendlich kleinen 
Veränderung dieser Gestalt — die verträglich mit der Form 
des Gefässes vorausgesetzt werden muss — bei constant bleiben- 
dem Volumen ein Zuwachs von eintritt. Es folgt hieraus 
sofort, dass, wenn die Gestalt der Flüssigkeit überhaupt keine 
Veränderung erfahren kann — (wenn etwa das Gefäss die 
Flüssigkeit von allen Seiten dicht anliegend umgiebt) die ge- 
nannten, auf die Flüssigkeit wirkenden Kräfte eine innere Be- 
wegung der Flüssigkeit nicht verursachen können, dass sie sich 
also gegenseitig das Gleichgewicht halten. 

5. 

Wir gehen jetzt zu einer genaueren Erforschung des Aus- 
druckes £1 über, der als Grundlage der Gleichgewichtstheorie 
der Flüssigkeiten angesehen werden muss. Beginnen wir mit 
dem ersten Term, so sieht man ohne Weiteres, dass \zds das 
Product aus dem Volumen des Raumes 6* und der Höhe seines 
Schwerpunktes über der Ebene H bedeutet. Ebenso ist cjxds 
das Product aus der Masse, gc$zds das Product aus dem Ge- 
wicht der Flüssigkeit und derselben Höhe. Wenn nun die 



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Carl Friedrich Gauss. 



Flüssigkeitstheile anderen Kräften, als der Schwere, nicht unter- 
worfen wären, dann mtisste die Höhe des Schwerpunktes in 
der Gleichgewichtslage möglichst klein sein. Es folgt hieraus 
leicht, dass die freie Oberfläche, respective die freien Ober- 
flächen in ein und derselben Horizontalebene liegen müssen, 
die dann die Flüssigkeit von oben her begrenzt. 

6. 

Die Betrachtung des zweiten und dritten Terms ist zurück- 
zuführen auf zwei particuläre Fälle des allgemeinen Problems, 
in dem die einzelnen Elemente zweier beliebig gegebener Räume 
wechselseitig mit einander combinirt und die Producte aus je 
drei Factoren, nämlich aus dem Volumen eines Elementes des 
ersten Raumes, dem Volumen eines Elementes des zweiten, 
und einer gegebenen Function des wechselseitigen Abstandes 
zu einer Summe vereinigt werden sollen. Der zweite Term 
führt dann zu dem Falle, wo beide Räume mit einander iden- 
tisch sind, der dritte Term zu dem, wo der eine Raum ganz 
ausserhalb des anderen liegt. Das vollständige Problem umfasst 
noch zwei andere Fälle, nämlich die, wo der eine Raum ein 
Theil des anderen ist, und wo der eine Raum mit dem anderen 
einen Theil gemeinsam hat. Wenn nun auch die zwei ersten 
Fälle für unser Vorhaben ausreichen würden, und sich anderer- 
seits auch die zwei letzten leicht auf die ersteren zurückführen 
lassen, so scheint es doch der Mühe werth, das an sich wichtige 
Problem ganz allgemein zu behandeln. Die beiden Räume 
wollen wir in dieser allgemeinen Untersuchung mit s, S, die 
Function des Abstandes durch das Zeichen rp kennzeichnen. 
Wir haben dann bei Anwendung auf den zweiten Term für S 
den Raum s, bei Anwendung auf den dritten an Stelle von <p 
die Function <2> einzuführen. Es handelt sich also um das 
Integral 

ffdsdS(p[ds,dS), 

das äusserlich die Form eines Doppelintegrals hat. In der 
That aber umfasst es, da die Elemente eines jeden Raumes 
von drei Variabein abhängen, eine sechsfache Integration, die 
wir — wie gleich gezeigt wird — auf eine vierfache zurück- 
führen können. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 13 



7. 

Wir beginnen mit der Behandlung des Integrals ^dscp^Ufds), 
das über alle Theile des Raumes s zu erstrecken ist. Es be- 
deutet hierin t u < einen bestimmten Punkt, der entweder ausser- 
halb oder innerhalb von s gelegen ist. Wir denken uns eine 
Kugelfläche mit dem Eadius 1 um den Mittelpunkt fi herum 
beschrieben, und in unendlich kleine Elemente zerlegt. Es sei 
dll ein solches Flächenelement, und es schneide eine Gerade, 
die von f.t aus gegen einen Punkt dieses Elementes geführt 
wird, die Oberfläche des Raumes s der Reihe nach in den 
Punkten p\ p\ p" u. s. w. Die Anzahl dieser Punkte wird 
eine gerade oder ungerade sein, jenachdem fi ausserhalb oder 
innerhalb von s liegt. Die Abstände itp', up", f.ip" etc. be- 
zeichnen wir mit r', r", r" etc. Es sollen ferner von aus 
nach den einzelnen Punkten der Peripherie des Elementes dll 
gerade Linien gezogen werden, so dass dadurch ein pyramiden- 
förmiger Raum gebildet wird. Durch dessen Mantelfläche 
werden aus der Oberfläche des Raumes s an den Orten der 
Punkte p\ p \ p" r etc. Flächenelemente herausgeschnitten, die 
wir mit dl! , di\ dt'" etc. bezeichnen wollen. Es sei endlich 
q der Winkel, den die Gerade p {i mit der äusseren Normalen 
auf dem Flächenelement df bildet. Analog seien q\ q'" . . . 
die Winkel, die die entsprechenden Normalen bei p, p'" . . . 
mit der nach p hin gezogenen Geraden einschliessen. Es wird 
somit offenbar 

dt' cos q dt" cos g dt'" cos?'" 

dll — =t — -4- ^2 — 2= r >,, 2 etc. 

Hierin gelten die oberen, resp. unteren Vorzeichen, je nachdem 
jtt ausserhalb oder innerhalb s liegt. 

Es leuchtet ferner ein, dass das Integral lds(p[i.i / ds) für 
diejenigen Theile des Raumes *, die in unserem pyramiden- 
förmigen Räume enthalten sind, wiedergegeben werden durch 
das Integral 

dnf ri<p{r) dr, 

das zu erstrecken ist von r = / bis r — r", dann von r = r" 
bis r = r"" u. s. f., wenn fi ausserhalb s liegt, oder aber von 
r = 0 bis r = /, dann von r = r" bis r = /" u. s. f., wenn 
/i innerhalb s liegt. Setzen wir nun das unbestimmte Integral 

J r 2 ff (r) dr — — ip (■/•) , 



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u 



Carl Friedrich Gaues. 



worin die Integratioiisconstante willkürlich angenommen ist, so 
erhält das Integral $ds(p(i.i,ds), in soweit es über die in dem 
pyramidenförmigen Räume von .<? gelegeneu Theile erstreckt 
wird, den Werth 

dn{ip{r') — ip(r") + i/>(r"') — etc.) 

df COS q'\p(r) dt" COS q"lp {r") dt"' COS q"'ip{r'") 
r '2~ r "2 " /"2 "' 

u. s. w. , 

vorausgesetzt, dass ausserhalb s liegt; und 
dn(xp(0) — xp{r) + if>(r") + ip[r") + etc.) 

— aji y^u; -i ^ 2 - -j r - — , ,^ h 

u. s. w. , 

wenn (.1 innerhalb des Raumes s liegt. 

Erstrecken wir nun diese Summation auf alle Theile der 
Kugeloberfläche, so wird das vollständige Integral $ds(f [(.t,ds) 

im ersten Falle =/^f^i , 

im zweiten = 4 n y (0) + f^ftM . 

Es bezeichnet hier dt unbestimmt alle Elemente der Oberfläche 
des Raumes s, und r für diese Elemente das gleiche, was 
die mit den Accenten versehenen entsprechenden Buchstaben 
für die bestimmten einzelnen Elemente bedeutet haben. End- 
lich ist n der halbe Umfang des Einheitskreises. 

Man erkennt ausserdem noch leicht, dass, wenn der Punkt 
/( weder innerhalb, noch ausserhalb von .<?, sondern in der 
Oberfläche selbst liegt, die zweite Formel gilt, nachdem der 
Factor 4rr durch 2tt ersetzt ist, vorausgesetzt, dass die Ober- 
fläche im Punkte u weder eine Spitze, noch eine scharfe Kante 
aufzuweisen hat. Für unseren Zweck aber ist es nicht nöthig, 
auf diesen Fall einzugchen. 

8. 

Durch die Untersuchung des vorhergehenden Abschnittes 
wird die Entwicklung des Integrals tfdsdS rp(ds,dS) zurück- 
geführt auf 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 15 



4:7caip{0) + ff dtdS 



cos q xp \dt,dS) 



(dt,dS)* 



wenn wir mit a das Volumen des Raumes bezeichnen, der bei- 
den Räumen S und s gemeinsam ist. Es fällt somit der erste 
Term 4tto"(//(0) weg, wenn beide Räume sich gegenseitig aus- 
schliessen. Es bleibt noch ein neues Integral übrig, das dem 
Anschein nach immer noch zweifach, in der That aber fünf- 
fach ist. Um dieses auf ein Vierfaches zurtickzuf ühren , be- 
trachten wir das Integral: 



das über alle Elemente des Raumes S zu erstrecken ist. 

Es bezeichnet hierin wieder it einen festen Punkt und q 
den Winkel zwischen zwei von diesem Punkte ausgehenden 
Geraden, von denen die eine gegen das Element dS hin ge- 
richtet, die andere im Räume fest ist*). Dieses Integral, das 
dem Anscheine nach einfach, in Wirklichkeit dreifach ist, wer- 
den wir jetzt auf ein zweifaches zurückführen, und zwar auf 
zwei ganz verschiedene Arten. 

Wir denken uns durch den Punkt /t eine Ebene, die wir 
mit JI bezeichnen, senkrecht zu der festen Geraden gelegt, 
und theilen diese, soweit sie von der Projection des Raumes 
S getroffen wird, in unendlich kleine Flächenelemente dJJ. In 
einem Punkte eines solchen Elementes dll errichten wir eine 
Senkrechte zu if, die der Reihe nach, d. h. beim Fortschreiten 
in einer zu der festen Geraden parallelen Richtung, die Ober- 
fläche von S in den Punkten P', P", P'" etc. schneidet. Die 
Abstände dieser Punkte von ,u seien R\ R" y R'" etc. Die 
in ähnlicher Weise in allen Punkten der Peripherie von dll 
senkrecht zu TL errichteten Geraden bilden einen prismatischen 
Raum und schneiden aus der Oberfläche von £ Elemente heraus, 
die wir mit dT' , dT" , dT'" u. s. w. bezeichnen wollen. End- 
lich sei x ^ er Winkel zwischen den zwei von P' ausgehenden 
Geraden, von denen die eine auf d T' normal und nach aussen 
gerichtet, die andere zu der festen Geraden parallel ist. Die 
entsprechenden Winkel für P", P'" etc. seien x", z" etc. Es 
wird somit offenbar: 



dll = — d T cos /' = + d T" cos / = — d T'" cos etc. 



) Diese wird nachher die Normale auf die Oberfläche von s. W.) 




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10 



Carl Friedrich Gauss. 



Den prismatischen Kaum wollen wir in unendlich kleine 
Elemente dlldx zerlegen, wo x den Abstand eines unbe- 
stimmten Punktes von der Ebene U bezeichnet (x sei positiv 
nach der Richtung hin, nach welcher die feste Gerade weist;. 
Wenn wir also den Abstand dieses Punktes von fi mit r be- 
zeichnen, so ist 

x — r cos q, 

und da r 2 — x 2 constant ist, wird xdx -=-rdr oder : 

dlldr cos q = dlldr. 
Hieraus schliessen wir, dass unser Integral 

(u^dS) 2 ' 

soweit es sich auf die Theile des Raumes S erstreckt, die in 
dem prismatischen Raum enthalten sind, durch das Integral 



du 



drtp(r) 



rjdrip 



ausgedrückt wird, welches zu erstrecken ist von r = R' bis 
r = TT, ferner von r = R'" bis r = R"" u. s. w. Wenn wir 
also setzen 

= -*(>•) 

mit willkürlich angenommenen Integrationsconstanten, dann 
wird unser Integral, soweit es sich auf die innerhalb des pris- 
matischen Raumes gelegenen Theile von S erstreckt 

= dII{${R') — # (R") + #{R"') — etc.) 

= — dT' Qosx , ^(R')-drcosf^(R , ')^dr ,, cosx ,,, ^(R'' , ) etc. 

Addiren wir nun diese Summen, die für die Prismenräume 
aller einzelnen Elemente dTl gelten, so sind offenbar dadurch 
alle Oberflächenelemente von S erschöpft, und wir haben das 
vollständige Integral 

Hierin bedeutet dT unbestimmt jedes Oberflächenelement von 
S, R dessen Abstand von ju, und / den Winkel zwischen der 
äusseren Normalen auf dem Elemente dT und einer zu der 
festen Geraden parallelen Geraden. 



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Grandlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 17 

Auf diese Weise ist also das Integral 

ffdsdScp{ds,dS) 

zurückgeführt auf die Form 

±7to\p{0) —JfdtdTcosz&(dt f dT) , 

worin / den Winkel bezeichnet, den die zwei Oberflächen- 
elemente dt y dT mit einander einschliessen , gemessen durch 
die Neigung der beiden nach dem Aussenraume von .? und S 
hin auf ihnen errichteten Normalen gegen einander. Die Inte- 
grationen sind über die ganzen Oberflächen der beiden Räume 
zu erstrecken. 



9. 

So wie die vorhergehende Methode mit einer Zerlegung des 
Raumes S in prismatische Raumelemente verknüpft ist, so er- 
fordert die folgende eine Zerlegung dieses Raumes in pyra- 
midenförmige Elemente. Wir denken uns eine Kugelfläche 
mit 'dem Radius 1 um den Punkt /i als Mittelpunkt gelegt und 
in unendlich kleine Flächenelemente zerlegt. Gegen einen 
Punkt eines solchen Elementes dll werde eine Gerade von (.i 
aus gezogen, die die Oberfläche von S der Reihe nach in 
P', P", P'" etc. treffen möge. Die Abstände dieser Punkte 
von seien P', P", P'" etc. Die nach allen Punkten der 
Peripherie von dll hin gezogenen Geraden schliessen einen 
pyramidenförmigen Raum ein und schneiden bei den Punkten 
P', P", P'" etc. aus der Oberfläche von S Flächenelemente 
heraus, die wir mit dT' y dT", dT'" etc. bezeichnen wollen. 
Es sei endlich Q' der Winkel, den die Gerade P'f.i mit der 
äusseren Normalen auf dT' einschliesst. Q", Q'" etc. sind die 
Winkel zwischen den entsprechenden Normalen in P", P'" etc. 
und der Geraden nach jt. Es wird somit: 

dT' cos Q' ____d T" cos Q" dT'" cos Q"' 
dll — — P 7 ^ 1~ R"^- — — P"' 2 

Hier gelten die oberen oder unteren Vorzeichen, je nach- 
dem ti ausserhalb oder innerhalb von S liegt. Der Fall, dass 
(i auf der Oberfläche des Raumes S selber liegt, ist dem ersten 
oder zweiten Falle zuzuschreiben, je nachdem die Gerade f.iP' 
ausserhalb von S liegt oder innerhalb. 

Es leuchtet ein, dass für alle Theile des Raumes »S, die 

Ostwa'd's Klassiker. 135. 2 



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18 



Carl Friedrich Gauss. 



in jenem pyramidenförmigen Gebiete liegen, der Winkel q con- 
stant ist. Wir setzen jetzt das unbestimmte Integral 



mit willkürlich gewählter Integrationsconstante und es wird 
dann ähnlich wie früher in Abschnitt 7 das Integral 



/ 



dS cos q tp(u,dS) 



insoweit es über alle in dem pyramidenförmigen Gebiete ge- 
legenen Theile zu erstrecken ist, im ersten Falle 



= cos q | 



dT cos Q'O(R') dT" cos Q"0(R") 

i 



i?' 2 1 Ii 



>"2 

dT'" cos f/"0'/?"M x \ 
+ ■ - 7^ etc.) , 



im zweiten Falle tritt hierzu noch der Term 

(III COS q0(0) . 

Erstrecken wir jetzt diese Summation über alle Oberflüchen- 
elemente der Einheitskugel, so wird das vollständige Integral 

dS cos q ty(u f dS) 



(u,dSp 

I. in dem Falle, wo der Punkt u ausserhalb des Raumes 
S liegt 

_ r d T cos g cos Q6{B) 

Hier bezeichnet dT unbestimmt alle Oberflächenelemente des 
Raumes S, und Q, 7? bezüglich dieses Elementes das gleiche, 
was früher die gleichen mit Accent versehenen Buchstaben 
für die bestimmten einzelnen Elemente dT' etc. besagten. 
Ferner bedeutet q die Neigung der vom Punkte u aus nach 
dT hin gezogeuen Geraden gegen unsere feste Gerade. 

IL In dem Falle, wo u innerhalb des Raumes & liegt, 
tritt zu dem Integral additiv noch der Term 

(9(0) J dH cos q . 
wo q den Winkel zwischen der von u nach dll gezogenen 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 19 



Geraden und der festen Geraden bedeutet, und die Integration 
hier über die ganze Kugeloberfläche zu erstrecken ist. Man 
überzeugt sich aber leicht, dass dieses Integral, erstreckt über 
die Halbkugel, innerhalb deren 7 ein spitzer Winkel ist, 
= — {— 7t wird, über die andere Halbkugel erstreckt aber 
= — 7t . Deshalb verschwindet das über die ganze Kugel 
erstreckte Integral, und es gilt also auch in diesem zweiten 
Falle ganz die gleiche Formel, die wir für den ersten aufge- 
stellt haben. Anders verhält es sich im dritten, 

HI. in dem der Punkt 11 auf der Überfläche von S liegt. 
Auch hier tritt der Term 



hinzu, aber die Integration ist nur über die Theile der Ober- 
fläche der Kugel zu erstrecken, für die das Anfangsstück der 
von /( nach dTI gezogenen Geraden in den Raum S fällt, 
oder (wenn wenigstens die Oberfläche von £ bei fi weder eine 
Spitze noch eine Schneide bildet) für welche diese Gerade einen 
stumpfen Winkel mit der im Punkte (.1 auf S nach aussen hin 
errichteten Normalen bildet. Es bleibt uns also noch übrig, 
das sich unter diesen Gesichtspunkten bietende Integral zu 
ermitteln. Es mögen diese Normale und die feste Gerade die 
Kugeloberfläche resp. in den Punkten G, H schneiden, und 
es sei der Bogen GII=k, der Bogen zwischen G und einem 
variabeln Punkt der Kugelfläche = r; es sei schliesslich w 
der sphärische Winkel zwischen k und v. Auf die Weise wird 



und für dll haben wir das Element sin vdrdw zu setzen. 
Es wird demnach das Integral 



und diese Integrale sind zu erstrecken von tc = 0 bis w — 360° 
und von v = 90° bis v — 180°. Unter diesen Umständen 
liefert uns die erste Integration 




cos q = cos k cos r + sin k sin r cos w , 




d II cos q 




(cos k cos v + sin k sin v cos iv) sin vdrdw, 




2 7t cos k cos v sin -vdv 



2* 



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20 



Carl Friedrich Gauss. 



und die zweite 

71 C09 k . 

Für unseren Zweck kommt nun dieser dritte Fall nur dann 
in Betracht, wenn die Oberflächen der Räume 5 und S ein 
gewisses endliches Stück der Oberfläche gemeinsam haben. 
Befindet sich der Punkt ,u auf diesem, so wird entweder k = O 

oder = 180°, und es wird somit JdlT cos q entweder = — 7t 

oder = -f- .r , je nachdem die Räume s, S sich auf der glei- 
chen oder auf entgegengesetzten Seiten bezüglich der gemein- 
samen Tangentialebene beider Oberflächen befinden. 

Wenden wir dieses Resultat auf das Integral an, von dem 

wir ausgegangen sind: Jj ds dS <p(ds,dS) , so wird dessen 
Werth : 

I. wenn die Oberflächen der Räume s, S keinen gemein- 
samen Theil haben 

P r dt dT cos q cos Q6(dt,dT) 

II. wenn die Oberflächen von s und S einen endlichen 
Theil = t gemeinsam haben 

1 ,/ai . f fdtdT cos qto* Q6{dt,dT) 

worin das obere oder untere Zeichen gilt, je nachdem die 
Räume s, S auf gleicher oder auf entgegengesetzten Seiten 
der gemeinsamen Oberfläche t liegen; 

III. wenn die Oberflächen der Räume (s, S) mehrere dis- 
crete endliche Theile gemein haben, sei t die Summe derer, 
die von den Räumen s, S auf gleicher Seite, t' die Summe 
derer, die auf entgegengesetzter berührt werden. Dann wird 
unser Integral 

= 4:7toifj(Q) + 7r(t'— t)0(O) 

CrdtdTcos q cos Q6(dt t dT) 



[dt,dT)' 



Diese dritte Formel kann als die Zusammenfassung aller mög- 
lichen Fälle aufgefasst werden. Das doppelte Integral ist über 
alle Elemente beider Oberflächen zu erstrecken. Es bezeichnen 
q, Q die Winkel, die die Verbindungslinie von dt und dT mit 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 21 



den beiden äusseren Normalen auf diesen Elementen bilden, 
und es ist hierbei die Richtung dieser Verbindungslinien für 
den Winkel q von dt nach dT, für den Winkel Q von dT 
nach dt als positiv zu erachten. 



Die zwei in Abschnitt 8 und 9 behandelten Umformungen 



Einfachheit, für unseren Zweck ist aber die zweite ge- 
eigneter. Koch weiter kann das allgemeine Problem nicht 
reducirt werden, wenn wir nicht specielle Annahmen bezüglich 
der Räume s, S oder bezüglich der Function (p zu Grunde 
legen. Die Function ff leitet sich aus der Function f ab, 
und wir wollen bezüglich dieser unsere weitere Behandlung 
auf der gleichen Hypothese aufbauen, von der Laplacc aus- 
gegangen ist, dass nämlich die anziehenden Molecularkräfte 
erst in unmessbar kleinen Abständen messbare Werthe an- 
nehmen. Da dieser Ausdruck etwas Unbestimmtes hat, so 
lange wir nicht eine Einheit zu Grunde legen, wollen wir vor 
allem darauf aufmerksam machen, dass wir die anziehende 
Kraft /"(r), ausgedrückt als eine Function des Abstandes r, 
mit einer Masse multiplicirt denken müssen, damit sie mit der 
Gravitation g in deu Dimensionen übereinstimmt. Der Sinn 
unserer Voraussetzung ist dann der folgende: Bezeichnet M 
irgend eine Masse, derart, wie sie uns in Experimenten vor- 
kommt, nämlich eine, die im Vergleich mit der ganzen Erde 
als verschwindend angesehen werden kann, dann muss Mf(r) 
immer unmerklich sein im Vergleich mit der Schwere, so lange 
r einen unseren Messungen zugänglichen, wenn auch noch so 
kleinen Werth hat. Gleichwohl hindert nichts, dass der Werth 
von Mf{r) in unmessbar kleinen Abständen nicht nur merk- 
bare Grössen annehmen, sondern beim Abnehmen von r sogar 
alle Grenzen übersteigen kann. Es ist überraschend, wie wich- 
tige Thatsachen mathematisch speciellen Charakters sich aus 
dieser einen Hypothese ableiten lassen, auch wenn wir im 
Uebrigen das Gesetz der Function f[r) als unbekannt ansehen : 
Und wenn auch diese Thatsache unter solchen Umständen eine 
absolute mathematische Genauigkeit nicht beanspruchen kann, 
so ist doch diese Genauigkeit sicher so gross, dass durch kein 
Experiment irgend eine Abweichung von der absoluten Wahrheit 



10. 




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22 



Carl Friedrich Gauss. 



gefunden werden kann; denn sobald es gelänge, eine solche 
Abweichung einer Messung zu unterwerfen, dann würde die 
H)T)othese selbst fallen müssen. 

11. 

Es wird die Annahme erlaubt sein, dass die Function f(r) 
[und ebenso auch F(r)] eine Anziehung bedeutet, in der der 
Theil fehlt, der mit r 2 umgekehrt proportional ist und der 
zur Erklärung der astronomi sehen Erscheinungen dient; denn, 
dieser Theil vermag an jedem Orte nur eine unmerklich 
kleine Beeinflussung der Schwere zu verursachen, wie be- 
schaffen auch die Form der Flüssigkeit und des Gefässes ist. 
Wenn also r von einem messbaren Werthe an ins Unendliche 
wächst, so wird fir) nicht nur an sich unendlich klein, son- 
dern es wird sogar schneller abnehmen als ~. Hieraus folgt 

leicht, dass auch das Integral j*f(r)dr, von einem messbaren 

"Werthe bis ins Unendliche erstreckt, unmessbar klein ist. Wir 
denken uns daher die Integrationsconstante von: 



f(r)dr = —ff(r) 

so festgesetzt, dass sich ergiebt: 

f p (oo) = 0 

oder so, dass qtir) den Werth des Integrals j* f[x)dx be- 

deutet. Nach dieser Festsetzung bedeutet (p(r) für jeden Ab- 
stand r eine positive Grösse, die aber unendlich klein ist, 
so lange r messbar ist ; dagegen kann <p (r) für einen unmess- 
bar kleinen Werth von r nicht nur endlich sein, sondern so- 
gar bei stetig abnehmendem /• alle Grenzen übersteigen. Mit 
anderen Worten, es steht nichts im Wege, dass (p[0) — oo 
wird. 

12. 

Da ako die Function (p (r) für jeden messbaren Werth von 
r unmesstar klein ist und mit wachsendem r stetig abnimmt, 

so folgt sogleich, dass das Integral J* r~(p{r)dr von irgend 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 23 

einem messbaren Werthe bis zu einem anderen grösseren er- 
streckt auch jetzt noch unmessbar bleibt, wenn nur dieser 
zweite Werth in den Grenzen des dem Experiment Zugäng- 
lichen liegt: man darf aber aus dieser einen Eigenschaft kei- 
neswegs schliessen, dass das Integral unmessbar bleibt, wenn 
wir die Integration bis zu einem beliebig grossen Werthe von 
r erstrecken. Die Rechnungen von Lupine* sind so dargestellt, 
dass sie eine solche Hypothese einschliessen ; aber da die Natur 
der Function tp[r) uns unbekannt ist, scheint es vorsichtiger, 
von allen Hypothesen abzusehen, deren wir nicht unbedingt 
bedürfen. Da nun die* Integrationsconstante von 

/ r*tf[r)dr = — <//(/•) 

willkürlich ist, so genügt es, sie so gewählt zu denken, dass 
ip V) = 0 wird für irgend einen willkürlichen messbaren Werth 
von /*, der nur in dem Gebiete der Körper gelegen ist, die 
wir in unser Experiment einbegreifen können. Unter dieser 
Voraussetzung wird \p(r) für jeden ähnlichen Werth immer un- 
messbar klein sein (positiv für einen kleineren, negativ für einen 
grösseren Werth) u aber es steht hier nichts im Wege, dass 
\p(r) für einen unmessbar kleinen Werth von /• messbare Gren- 
zen erreicht. Es muss noch hinzugefügt werden, dass die Er- 
klärung der Erscheinungen die Annahme erfordert, dass bei 
einem ins Unendliche abnehmenden /■ der Werth von ip(r) 
immer endlich bleibt, dass also \p(0) eine endliche Grösse ist. 

Es ist im Uebrigen offenbar ' ' von gleicher Dimension 

/• 

wie 7, also eine Länge und ' '''"^ eine durch die 

y y 

Natur der Körper, auf deren anziehende Kräfte sich f[r) be- 
zieht, bestimmte Länge, deren Grösse wir zwar als* sehr be- 
trächtlich vermuthen können, die wir aber in bestimmten Fällen 
kaum angenähert anzugeben vermögen, wenigstens nicht ohne 
Zuhilfenahme von irgend weichten Hypothesen*). 

* Wenn man die Lichterscheinungen nach der Emanations- 
theorie erklärt, hängt die Brechung ab von der molecularen An- 
ziehung der Theilchen des durchsichtigen Körpers auf die Licht- 
theilchen. und das Brechungsverhältniss von dem Werthe i^(0), und 
zwar in der Art, dass 



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24 



Carl Friedrich Gauss. 



/ 



13. 

Wir haben weiter in ähnlicher Weise bei der Integration 

ifj(r)dr = — 0[r) die Constante so gewählt zu denken, dass 

B[r) = 0 wird für einen willkürlich zu wählenden Werth von 
r, innerhalb der Grenzen gelegen, die uns für unser Experi- 
ment zugänglich sind. Es wird so wieder 0(r) unmessbar klein 
für jeden derartigen messbaren Werth von r, kann aber trotz- 
dem messbar werden für ein unmessbar kleines r. Offenbar 

erhält ^ ^ die Dimensionen einer Fläche, und es wird 



9 ' VM 

eine Länge. Noth wendiger Weise aber wird ^~^\ eme un ~ 

messbar kleine Länge, was wir folgendermassen beweisen. Da 
ip (r) von r = 0 an continuirlich abnimmt, und zwar so schnell, 
dass es schon unmessbar klein geworden ist, wenn r einen 
messbaren Werth erreicht hat, so folgt, dass der Werth von r, 
für den \p\r) = ^^(0) wird, noch unmessbar klein ist. Wir 
wollen ihn q nennen. Wir betrachten das Integral 

n 

W(0)-V(r)]rfr, 

o 



/i 



das = liip(0, — 0(0) + 0{R) wird. Offenbar muss dieses In- 
tegral grösser sein, als wenn wir es blos von r = q bis r = R 
integriren, und dieses wieder grösser, als das Integral 



f [ip[ o ; -ip(g'.}d; 



in denselben Grenzen integrirt. Da nun dieses letztere In- 
tegral den Werth erhält: 

- [0(0) - ipiQ)] (R - Q) = { ip(0) [R - Q ) , 



ist. Es ist hierin / die Länge des Secundenpondels, /• der vom 
Lichte im Vacuum in der Secande zurückgelegte Weg, n das Ver- 
hältniss der Sinus des Einfallswinkels und des Brechungswinkels. 

Unter dieser Annahme wird für Wasser zweitausendmal 

9 

grösser als die mittlere Entfernung der Sonne von der Erde. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 25 

so wird allgemein für jeden Werth R (grösser als g) 
Jty(O) — 6(0) + 0(R) > 1 </>(0) (Ii — g) . 

Oft) 

Setzen wir jetzt für R den Werth des Bruches — — ^ , so wird 

aus dieser Relation: 

0(R)>iV(0){*-Q), 
eine Beziehung, die widersinnig sein würde, wenn R eine 
messbare Grösse wäre. 

Während also ip(0) eine sehr bedeutende Grösse ist, so 
kann gleichwohl 0(0) von mässiger Grösse und mit den Di- 
mensionen der bei unserem Experiment vorhandenen Körper 
wohl vergleichbar sein. 



14. 

Es bleibt uns noch zu untersuchen, was aus dieser Eigen- 
schaft der Function 0 für das Integral 

/ dt d T cos g cos Q0(dt,äT) 

folgt. Wir machen den Anfang mit einer einfacheren Unter- 
suchung, indem wir einen auf der einen Oberfläche festliegen- 
den Punkt /i betrachten und das über die ganze Oberfläche / 
zu erstreckende Integral 

/dt cos q cos Q 0 (u, dt) 
]u7dtj>~ • (Uj 

untersuchen. Es bezeichnet hierin Q den Winkel zwischen 
zwei von u ausgehenden Geraden, von denen die eine gegen 
das Element dt gerichtet, die andere im Räume fest ist; q den 
Winkel zwischen den zwei von dt ausgehenden Geraden, deren 
eine nach u hin gerichtet ist, die andere auf dt nach aussen 
hin senkrecht steht. 

Zunächst bemerken wir, dass, wenn der Punkt f.i in mess- 
barem Abstand von der Oberfläche t entfernt liegt, alle Wcrthe 
0{u f dt) unmessbar klein werden. In diesem Falle wird also 
das ganze Integral (II) unmessbar klein. Es erlangt also dieses 
Integral nur dann einen messbaren Werth, wenn die Ober- 
fläche t Theile besitzt, die in unmessbar kleinem Abstand vom 
Punkte fi liegen, und es genügt dann offenbar, das Integral (II) 



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26 



Carl Friedrich Gauss. 



nur über diese Theile zu erstrecken. Alle in messbarem Ab- 
stand gelegenen Theile können wir vernachlässigen. 

et t OOS 

Wir setzen jetzt für ™ den Werth zb dl! ein, so 

dass dl! das Oberflächenelement der um fi beschriebenen Ein- 
heitskugel bedeutet, auf welches das Element dt vom Punkt f.i 
aus gesehen projicirt wird. Es gilt das obere oder untere 
Vorzeichen, je nachdem dt seine äussere oder innere Seite 
dem Punkte u zukehrt. Es wird somit das Integral (II) 

= f ztdn cos Q Ofa, dt), 

und es ergiebt sich, dass dieses Integral nur dann einen mess- 
baren Werth annehmen kann, wenn diejenigen Elemente d/T, 
die zu unmessbar kleinen Abständen {(.i,dt) gehören, einen 
messbar grossen Raum auf der Kugelobertiäche erfüllen. 

Hieraus kann man leicht folgern, dass unser Integral, all- 
gemein gesagt, auch dann noch unmessbar klein bleibt, wenn 
der Punkt p auf der Oberfläche t selber liegt. Denn es er- 
giebt sich, dass die Projectionen aller der Elemente dt, die 
von f.i unmessbar kleinen Abstand haben, auch von dem grössten 
Kreis, den die Tangentialebene an t im Punkte u aus der Kugel- 
fläche herausschneidet, unmessbar kleinen Abstand haben. Es 
müssen aber drei Fälle ausgenommen werden, nämlich 

1. der Fall, wo die Krümmungsradien der Fläche t im 
Punkte unmessbar klein sind; 

2. der Fall, dass die Continuität der Krümmung von t im 
Punkte u oder in unmessbar kleinem Abstand von ihm eine 
Unterbrechung erfährt (vgl. Disquis. gen. circu superficies cur- 
vas art. 3}*); 

3. der Fall, wo die Oberfläche t noch einen anderen von 
jti unmessbar wenig entfernten Theil enthält, also wenn bei 
diesem Punkte die Dicke des Raumes .$ unmessbar klein ist. 
Diesen Fall können wir übrigens dem unterordnen, den wir 
im folgenden Artikel behandeln werden. 



*) Klassiker d. e. W. Nr. 5. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 27 



15. 



Es bleibt uns noch der Fall, wo der Punkt fi nicht selbst 
auf der Oberfläche t liegt, aber doch in unmessbar kleinem 
Abstand von ihr. In diesem Falle kann jedenfalls unser In- 
tegral einen messbaren Werth haben, und diesen wollen wir 
jetzt eingehender untersuchen. 

Es mögen die vom Punkte auf die Fläche t gefällte 
Normale und die von f.i ausgehende im Räume feste Gerade 
die Kugeloberfläche in den Punkten G und H schneiden, und 
es werde der Bogen GH = k gesetzt. Der Bogen zwischen 
G und einem variabeln Punkte der Kugelfläche sei v. Es sei 
endlich w der sphärische Winkel zwischen und v. Es darf 
nach diesen Festsetzungen für das Element dlT gesetzt werden: 



Die Integration braucht hierin nur über die Theile der Kugel- 
oberfläche erstreckt zu werden, gegen die die unmessbar kleinen 
Abstände r gerichtet sind. Es beziehen sich diese auf einen 
unmessbar kleinen Theil der Oberfläche t. Sehen wir diesen 
Theil als eben an und bezeichnen wir den kleinsten Abstand 
desselben von u (den Abstand, der dem Punkte G, also dem 



■w unabhängig. Führen wir also die Integration bezüglich der 
Variabein w durch, und zwar von w = 0 bis w = 360 °, so 
wird unser Integral 



Hierin ist die Integration zu erstrecken von r = Q bis zu 
einem willkürlichen messbar grossen, sonst aber beliebig klei- 
nen Werth von r. 



sin vdvdw , 

und demnach wird, wenn wir statt [u,dt) der Kürze halber r 
schreiben, das Integral (II) 




±: (cos k cos v + sin k sin v cos w) 0(r) sin v d vdiv. 





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28 



Carl Friedrich Gauss. 



Setzen wir also das unbestimmte Integral 



und bestimmen wir die Integrationsconstante so, dass 



wird für einen beliebigen messbaren Werth innerhalb der dem 
Experiment zugänglichen Grenzen, dann wird das Integral (II 
unter Vernachlässigung von unmessbar kleinen Grössen 



Sollte es zweifelhaft sein, ob es erlaubt ist, den Antheil 
der Oberfläche t, der innerhalb unmessbarer Enfernung von u 
gelegen ist, als Ebene anzusehen, so denken wir ihn uns als 
Kugelfläche. Es sei dann R der Abstand des Kugelmittel- 
punktes vom Punkte «, positiv oder negativ zu setzen, je 
nachdem der Mittelpunkt von u aus in Richtung nach G hin 
gelegen ist oder entgegengesetzt. Es wird dann 



und hieraus kann man leicht entnehmen, dass das Integral nicht 
um einen merklichen Betrag von dem früher gefundenen Werth 
dz 7t cosk6'[g) abweicht, so lange wenigstens R einen messbar 
grossen Werth besitzt. Wie beschaffen nun aber auch die 
Krümmung der Oberfläche t an der in Betracht kommenden 
Stelle ist, es lassen sich immer zwei Kugelflächen finden, die 
die Oberfläche t in dem am nächsten gelegenen Punkte be- 
rühren, so dass / zwischen diesen beiden gelegen ist, und deren 
Radien endliche Grössen haben. Dann muss offenbar auch 
unser Integral zwischen die auf diese beiden Kugelflächen be- 
zogenen Integrale fallen, und es wird ohne merklichen Fehler 
durch eben dieselbe Formel ausgedrückt. Eine Ausnahme tritt 
nur dann ein, wenn die Oberfläche t in unmessbar kleinem 
Abstand von eine Krümmung von unmessbar kleinem Krüm- 
mungsradius oder eine Schneide oder eine Spitze besitzt. 




= dt 7t cos kO'(r) . 






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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 29 



Gehen wir jetzt vom Integral (II) zum Integral (I) über, 
so ist es klar, dass dieses nicht nur in dem Falle unmessbar 
klein wird, wenn (II) für keinen Punkt der Oberfläche T einen 
messbaren Wertb erhält, sondern auch dann, wenn die Ge- 
sammtheit der Elemente von T, für deren Punkte das In- 
tegral (II) endlich wird, nur eine Fläche von unmessbar kleiner 
Grösse ausmacht. Aus dieser Erwägung geht hervor, dass das 
Integral (I) nur dann einen messbar grossen Werth erreicht, 
wenn die Oberfläche T einen oder mehrere Theile von end- 
licher Grösse enthält, die von der Oberfläche t in unmessbar 
kleinem Abstand liegen. Da diese Theile von der Parallelität 
mit der Oberfläche t nicht merklich abweichen können, so kann 
für keinen dieser Punkte cos k merklich von -|- 1 oder von 
— 1 abweichen, je nachdem die Oberfläche T ihre äussere 
oder innere Seite der Oberfläche t zukehrt. 

Bezeichnen wir nun mit r, x die Theile von T 7 , die in 
unmessbarem Abstand von t liegen, und zwar mit x die Summe 
aller derer, bei denen die äussere Seite der einen der inneren 
Seite der anderen zugekehrt ist, mit x die, bei der gleich- 
artige Seiten einander zugekehrt sind; bezeichnen wir ferner 
mit q den kleinsten Abstand eines jeden Elementes dx oder 
äx von t y dann wird das Integral (I) unter Vernachlässigung 
unmessbar kleiner Grössen 



Es ist offenbar hier kein Unterschied, ob wir die Antheile 
x, x' auf die Oberfläche T oder t beziehen*. 

Auf diese Weise haben wir also bereits eine Lösung des 
Problems erhalten, das wir uns im Abschnitt 6 gestellt haben, 
und zwar auf Grund der Eigenschaft der Function f/>, auf die 
sich unsere Untersuchung über das Gleichgewicht von Flüssig- 
keiten stützt. Es ergiebt sich danach: 



16. 





= 4rrai//(0) — ?r 1 0(0) + 7tt'0{0) — tz I dxd'{q) 





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30 Carl Friedrich Gauss. 

17. 

Die Function 6' lässt sich definiren durch 



r 2 J a; 3 

wobei das Integral zwischen den Grenzen x = r und einem 
willkürlich festzusetzenden constanten messbaren Werthe zu 
erstrecken ist, den wir hier mit R bezeichnen wollen. Offen- 

p2 0(r)dx 

bar wird dieses Integral kleiner sein als / , zwischen 

J x A 

0(r) ß(r) 

denselben Grenzen integrirt , und dieses ist = . 

r 2 i?2 

0(r) 

Es wird also erst recht kleiner sein als — . Da sich nun 

r 2 

bei unbestimmter Integration ergiebt: 

/2 0[x)dx _ 0{x) n dO(x) 6{x) p xp {x) dx 

so folgt: 

0'(r) 0(r) 0(R) r \p{x)dx 
r 2 ~ ~V 2 R 2 J x 2 ' 

und das hierin enthaltene Integral ist wieder kleiner als 

/ip[r)dx tp(r) 
und um so mehr kleiner als : deshalb wird der 
x 2 r ' 

6'{r) 

Werth von — — grösser als 
r 2 

r* Ri r 
Es fällt also 0'(r) zwischen die Grenzen 

0[r) und fl( r )_r»^_r^{r), 

deren Differenz mit unendlich abnehmendem r jedenfalls klei- 
ner werden kann als eine beliebig anzugebende Grösse, weil 
wir voraussetzen, dass i//(0) eine endliche Grösse ist. Hieraus 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 31 



entnehmen wir, dass 0'(0) = 0 (0) zu setzen ist. Es geht daraus 
hervor, dass wir in der Gleichung, zu der wir im vorigen 
Abschnitt gelangt sind, den Term — ?rt0(O) in dem Term 

— 7t JcItO'{q), und den Term /rt'0(O) in dem Term 7t f iv'd'fa) 

enthalten denken können, weun wir den Abstand 0 als Spe- 
cialfall des unmessbar kleinen Abstandes ansehen , und wenn 
wir die Theile t, t' mit unter die Theile r, t rechnen. 

Aber wenn wir auch hierdurch eine im mathematischen 
Sinne elegantere Lösung erhalten, so ist es doch für unsere 
Absicht zweckdienlicher, den Unterschied zwischen den beiden 
Arten von Flächentheilen aufrecht zu erhalten. 



18. 

Wenden wir die vorliegende Untersuchung auf den zweiten 
Term des Ausdrucks il (Abschnitt 3) an, so wird der zweite 
Raum, den wir von Abschnitt 6 an mit S bezeichnet haben, 
identisch mit dem ersten; was in Abschnitt 16 also o", t, t' 
war, das wird jetzt .<?, t, 0, wenn t die ganze Oberfläche des 
von Flüssigkeit erfüllten Raumes s bedeutet. In dem Falle 
aber, wo dieser Raum weder Theile von zwar messbarer Aus- 
dehnung, aber unmessbar kleiner Dicke enthält, noch auch 
Zwischenräume (Spalten) von gleicher Beschaffenheit, wird das 
zweite Glied von £2 

= i7td[±sip{o) — td{0)]. 

Es giebt hiervon zwei Ausnahmen. 

1. Wenn der Raum s einen unmessbar dünnen Theil ent- 
hält, dann besitzt dieser Theil zwei bis auf unmessbare Grössen 
gleiche Oberflächen, deren jede wir mit t' bezeichnen wollen. 
Die Dicke des Raumes an der Stelle jeden Elementes dt' be- 
zeichnen wir unbestimmt mit q. Es tritt dann zu vorigem 
Werthe noch das Glied hinzu 

7t C* f 0'{Q)dt' . 

2. Wenn der Raum .<? eine unmerklich schmale Höhlung 
enthält, dann tritt ein ähulicher Term hinzu, nämlich 



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32 



Carl Friedrich Gauss. 



wenn wir mit t" jede der beiden benachbarten Flächen des 
Spaltes bezeichnen nnd wieder mit q die laufende Dicke des 
Spaltes. 

Bei der Umformung des dritten Gliedes im Ausdrucke £2 
müssen wir das Zeichen S beibehalten, um damit den vom 
Gefässe erfüllten Raum zu bezeichnen. An Stelle des Functions- 
zeichens f tritt F für die anziehende Molecularkraft des Ge- 
fässes ein, und an Stelle der durch (/>, *//, 0, 0' ausgedrückten 
Functionen treten andere, die wir mit <Z>, *F, 0, & wieder- 
geben wollen. Diese sollen von F ebenso abhängen, wie jene 
von f. Was bei der allgemeinen Untersuchung <x, t' war, 
nimmt hier offenbar den Werth 0 an. Für t führen wir hier 
den Buchstaben T ein, der nicht die ganze Oberfläche 5, son- 
dern nur den Theii bezeichnen soll, an den die Flüssigkeit 
angrenzt. Es wird unter dieser Festsetzung der dritte Theil 
von Q im allgemeinen 

= 7ccCTG(0) , 

und auch hier treten zwei Ausnahmefälle ein, nämlich 

3. Wenn in der Nähe eines messbaren Gebietes T' der 
Oberfläche T die Flüssigkeit eioe unmessbar kleine Dicke hat, 
die mit q bezeichnet werde, so kommt der Term 

♦ 

— Ttccf &(<>)dT' 

hinzu. 

4. Wenn die Oberfläche des Gefasses ausser dem Theile 
T, der der Flüssigkeit anliegt, noch einen anderen Theil T" 
besitzt, der zwar die Flüssigkeit nicht berührt, aber ihr doch 
in unmessbar kleinem Abstand benachbart ist, so tritt ein 
Term hinzu 

+ 7tccfG , [Q)dT'\ 

worin wieder q den Abstand des dünnen Zwischenraumes 
bedeutet. 

Es wäre überflüssig, länger bei dem ersten Ausnahmefalle, 
soweit er nicht im dritten mit einbegriffen ist, und ebenso 
beim zweiten und vierten zu verweilen j denn wenn auch in 
gewissen hierunter fallenden Fällen — die aber sehr specieller 
Natur sind — Gleichgewicht der Flüssigkeit statthaben kann, 
so ist doch ein solches Gleichgewicht weder stabil noch auch 
dem Experiment zugänglich. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 33 



Dagegen ist der erste Ausnahmefall, soweit er im dritten 
enthalten ist, für die Theorie durchaus wesentlich. Gleichwohl 
soll er aber einstweilen bei Seite gelassen werden, um zunächst 
einmal die Gleichgewichtsbedingungen, wie sie ohne eine dem 
Gefässe anhaftende Flüssigkeitshaut gelten, zu untersuchen. 

Wir sehen also vorerst von allen Ausnahmen ab. Es wird 
dann der Ausdruck, dessen Werth im Zustand des Gleichge- 
wichts ein Maximum sein muss, gegeben sein durch 

— gc jxds + 2rtc*8<p{0) — {.7tc*tfß(0) + 7rc(7T0(O), 

und da bei allen Veränderungen, die die Gestalt der Flüssig- 
keit eingehen kann, der Raum s unveränderlich bleibt, so 
muss der Ausdruck: 



/ 



7ic0{0) icCO'O) 
xds + ----- t — — T 



im Gleichgewichtszustand ein Minimum werden. 

c0(O) 

Wir haben bereits früher angegeben, dass — einen Raum 



zweier Dimensionen bedeute, und dasselbe gilt von 
Setzen wir also: 

TT* 0(0) „ TT (70(0) 

= « 2 ; — « — = ß 2 , 



(70(0) 



2g 2g 

so werden er, ß constante Längen, abhängig von dem Ver- 
hältniss der Schwere zu der Grösse der Kräfte, die die Theil- 
chen der Flüssigkeit unter sich und von den Molekülen des 
Gefässes erfahren. Wenn wir ferner die freie Oberfläche der 
Flüssigkeit, also die, die dem Gefässe nicht anliegt, mit U 
bezeichnen, so dass t — T+U wird, dann muss der folgende 
Ausdruck, den wir W nennen wollen, im Zustand des Gleich- 
gewichts ein Minimum sein: 

TF = jxds + [«2 — 2 ßi) T + «2 r . 

19. 

Bevor wir allgemein und vollständig untersuchen, was sich 
aus diesem wichtigen Theorem folgern lässt, lohnt es sich 

Oätwald's Klassiker. 13:,. 3 



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34 



Carl Friedrich Gauss. 



wohl zu zeigen, mit welcher Leichtigkeit das Grundphänomen 
in Capillarröhren sich daraus ergiebt. 

Wir denken uns eine Flüssigkeit im Gleichgewicht in einem 
zweischenkligen Gefässe, und zwar so, dass ein Theil der freien 
Fltissigkeitsoberfläche sich im einen, ein anderer Theil im an- 
deren Schenkel befindet. Die Gefässwandungen setzen wir in 
der Nachbarschaft dieser Oberfläch entheile als vertical voraus. 
Es sei a der Flächeninhalt des inneren llorizontalschnittes des 
ersten Schenkels (genauer gesagt, der Flächeninhalt der hori- 
zontalen Projection der freien Oberfläche im ersten Schenkel), 
b die Peripherie desselben. Es sei ferner ah das Flüssig- 
keitsvolumen in diesem Schenkel, unter der Voraussetzung, 
dass man die Verticalwandung bis zu der Ebene, von der aus 
% gerechnet wird, abwärts verlängert denkt, oder, was aufs 
Gleiche hinauskommt, es sei // eine mittlere Höhe der Flüssig- 
keit über dieser Ebene. Ebenso sollen im zweiten Schenkel 
die entsprechenden Stücke mit a\ //, h' bezeichnet werden. 
Stellen wir uns jetzt vor, dass die Einstellung der Flüssigkeit 
eine unendlich kleine Veränderung erfährt, und zwar derart, 
dass beide Theile der freien Oberfläche ihre Form beibehalten, 
dann wird die Variation des ersten Theiles von IF, also des 

Integrals Jxda offenbar 

= ahdh -\- a'h'dli, 

die Variation von T aber 

= bäh + h'dti. 

Nach Voraussetzung wird aber dU = 0 . Also folgt: 

d W = a h dh + a h' dh' — (2 /* 2 _ a 2j (b dh + b' dh') . 

Da nun ferner das Gesammtvolumen der Flüssigkeit unver- 
ändert bleibt, so folgt; 

adh -f- ddh' = 0 

und deshalb: 

d W = dh lh — h') — (2 — «2) |/, a * |j . 

i 

Die Bedingung, dass W im Zustand des Gleichgewichts ein 
Minimum sein soll, führt also zu der Gleichung, die die Haupt- 
erscheinungen der Capillarröhren umfasst: 



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Grandlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 35 



Und es ergiebt sich sofort, dass dieser Gleichung in der That 
ein Minimum von W entspricht, denn es wird 

d 2 W a 2 



a + ' ' > 



dh 2 ' al 

also wesentlich positiv. 

Der zweite Schenkel wird weiter als der erste ge- 

ci' cl 
nannt, wenn der Quotient — grösser als — ist. Es wird also 

o b 

die Flüssigkeit im engeren Schenkel starker herabgedrückt 

oder stärker gehoben als im weiteren, je nachdem ß 2 kleiner 

v' 1 

oder grösser als a 2 ist; und wenn zufallig einmal ß' 2 = — 

wäre, dann würden die Höhen in beiden Schenkeln gleich sein. 

b f h 

Wenn der zweite Schenkel so weit ist, dass — t gegen — 

a a 

vernachlässigt werden kann, dann wird angenähert 

h - h' = (2 ß 2 — a 2 ) ~ • 

Es ist demnach in cylindrischen Capillaren die Senkung 
oder Hebung einer Flüssigkeit dem Durchmesser des Rohres 
umgekehrt proportional. Alles dies stimmt sowohl mit dem 
Experiment als auch mit den Ergebnissen, die Laplace theo- 
retisch abgeleitet hat, überein. 

Wenn das Gefass mit mehreren Verticalschenkeln, die alle 
mit einander communiciren , versehen ist, und es bedeuten 

b", h" für den dritten, d", b'", h"' für den vierten Schen- 
kel u. s. f. das Gleiche wie a, b, h für den ersten, dann er- 
giebt sich auch: 

Eleganter schreibt sich das in folgender Gestalt: 

3* 



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36 



Carl Friedrich Gauss. 



h — (2 ß 2 _ a 2) A = // — (2 ß 2 _ a 2ji 

b" V" 
= _ ( 2 /3 2 _ tt 2j _ = //" _ (2 ^2 _ ö 2 ] _ etc . 

Da die Horizontalebene, von der aus die Höhen gerechnet 
werden, willkürlich ist, so ergiebt sich, wenn man sie so 
wählt, dass 

h = [2ß 2 -« 2 )^, 
dass auch in den übrigen Schenkeln 

h' = (2 ^ - «*} £ , Ä- = (2 ^ - «») ^ , 

Ii" = (2 ^ - «2) , etc . 

Diese Ebene, die wir späterhin noch allgemeiner definiren 
werden, kann man die »normale Horizontalebene« nennen (plan 
de niveau). Denken wir uns (wenn es nöthig ist) die Vertical- 
wände der einzelnen Schenkel bis zu dieser Ebene verlängert, 
so bedeuten ah, a'h', a"h" etc., wenn 2 ß 2 > a 2 , die Mengen 
der in den einzelnen Schenkeln über diese Ebene gehobenen 
Flüssigkeit, oder wenn 2 ß 2 < a 2 , die unter dieser Ebene feh- 
lenden Flüssigkeitsmengen. Diese Mengen sind also gleich 
dem Product aus der constanten Flächengrösse (2 ß 2 — u 2 ) 
und den Peripherien />, //', b'" etc. 

20. 

Es liegt uns jetzt die Aufgabe ob, aus dem Theorem im 
Abschnitt 18 die Beschaffenheit der Gleichgewichtsfigur zu be- 
stimmen, eine Aufgabe, die in der Hauptsache auf die allge- 
meine Entwicklung der Variation hinauskommt, die der Aus- 
druck W erfährt, wenn die Form des von Flüssigkeit erfüllten 
Raumes irgend eine unendlich kleine Aenderung eingeht. Da 
aber die Variationsrechnung für doppelte Integrale in dem Falle, 
wo auch die Grenzen als variabel anzusehen sind, bisher noch 
wenig ausgebaut ist, so ist es nöthig, diese Untersuchung etwas 
tiefer anzugreifen. 

Wir wollen von der Oberfläche, die den Raum s vom übrigen 
Räume trennt, den Theil U betrachten, und setzen voraus, 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 37 



dass jeder seiner Punkte durch drei Coordinaten ?/, % be- 
stimmt sei. Die dritte von diesen sei der Abstand von einer 
willkürlichen Horizontalebene. Man kann deshalb % als Func- 
tion der unabhängigen Variabein x ) y ansehen, und wir be- 
zeichnen die partiellen Differentiale dieser Function, wie ge- 
bräuchlich, mit 

ö % _ d~ _ 
— ax: - du . 
bx ' ö?/ J 

In jedem Punkte der Oberfläche denken wir uns die Normale 
errichtet, und zwar vom Baume s aus gerechnet, nach aussen 
hin. Die Cosinus der Winkel zwischen der Normalen und den 
Coordinatenaxen nennen wir if, r n C. Es wird danach 

£2 + r ,2 + p = 1 , 

~~ ~ ~; " 

Die Umgrenzung der Oberfläche U ist eine in sich zurück- 
laufende Linie, die wir mit P bezeichnen wollen, und indem 
wir diese in einem bestimmten Sinn stetig umlaufen, nehmen 
wir ihre Elemente dP (ebenso wie die Elemente dU der Ober- 
fläche) immer positiv an. Die Cosinus der Winkel, die die 
Richtung des Elementes dP mit den Coordinatenaxen ?/, % 
einschliessen, bezeichnen wir mit X, TT, Z. Damit aber der 
Sinn der Richtung nicht zweideutig bleibt, verfügen wir so 
über sie, dass an erster Stelle sie selbst, an zweiter die auf 
dP senkrechte Normale, die die Oberfläche U berührt und 
nach innen gerichtet ist, und an dritter Stelle die auf der 
Oberfläche vom Räume s aus nach aussen errichtete Normale 
ein System von Geraden bilden, die der Reihe nach ebenso 
auf einander folgen, wie die Coordinatenaxen x, ?/, %. Man 
sieht leicht (vgl. Disquiss. gen. circa superficies curvas art. 2) *), 
dass die Richtungscosinus zwischen der an zweiter Stelle auf- 
geführten Richtung und den Coordinatenaxen x, y y % sind 

V>Z-C°r, $>Y—i?X, 

wenn |°, c° die Werthe von §, r n C am Orte des Ele- 
mentes dP bedeuten. 



*) Klassiker d. e. W. Nr. 5. 



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38 



Carl Friedrich Gauss. 



21. 



Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir uns vorstellen, 
die Oberfläche U erfahre irgend eine unendlich kleine Ver- 
änderung. Wenn es gentigte, nur solche Veränderungen zu 
betrachten, bei denen die Umgrenzung P immer ungeändert 
oder wenigstens in der gleichen verticalen Oberfläche bleibt, 
dann brauchte man blos die Aenderung der einen dritten Co- 
ordinate z einzuführen. Es würde dann das Problem sich 
wesentlich einfacher darstellen. Da wir aber das Problem 
ganz allgemein behandeln müssen, so würde bei einem solchen 
Vorgehen die Betrachtung der Veränderlichkeit der Grenzen 
zu unbequemen, die Uebersicht störenden Weitschweifigkeiten 
führen. Es ist deshalb vorzuziehen, von vorn herein alle drei 
Coordinaten der Veränderung zu unterwerfen. Wir stellen uns 
daher vor, dass wir einen jeden Punkt ?/, % der Oberfläche 
in einen anderen mit den Coordinaten x-\- öx ) y + dy, s + <H 
überführen. Es können dann öx, dy, dz als unbestimmte 
Functionen von x und y angesehen werden, deren Werthe aber 
unendlich klein bleiben. Wir fragen nun nach den Variationen 
der einzelnen Elemente von W und beginnen mit der Variation 
des Elementes dU. 

Wir stellen uns ein dreieckiges Oberflächenelement d U der 
Oberfläche U, gelegen zwischen den Punkten mit den Coordi- 
naten 



Der doppelte Flächeninhalt dieses Dreiecks ist nach bekannten 
Gesetzen 



wenn wir voraussetzen — was gestattet ist — , dass dxd'y — dyd'x 
eine positive Grösse ist. 

In der variirten Oberfläche haben wir statt dieser Punkte 
drei andere mit den Coordinaten 



x -f- dx , y + dy } 




x-\-d'x, y + d'y y 






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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 39 



des ersten Punktes: 

x -\- öx , y + öy , z + d £ . 

des zweiten: 

x + dx + dx + ^£dx + *Y^ d V > 

, 7 , * , i , oöy , 
^ + rfy + + — rfa; + ^ ^ r//y , 

z + — + — + H — - — dx H — — dii ; 
Ö£ oy bx by 

des dritten: 

x H- d'z -f- d.r + ^~—d'x + ^^d'y , 

da? o // 

s, + ^ + <% + ^V* + ^, 

ö x oy • o # o // 

Man findet den doppelten Flächeninhalt des zwischen die- 
sen neuen Punkten gelegenen Dreiecks in der gleichen Weise 

= (dxd'y — dyd'x) VN, 

wenn wir der Kürze halber mit N das Aggregat 

["/ b öx\ ibz böz \ _ ö öx Ibz b dz\* 
+ L\ bx)\b~y + ~bi)~~Ty \bi + bx)\ 

, r/ , w&* , ^\ . I 2 

LI by}\bx~*~ bx) bxUy^by)] 

bezeichnen. Führen wir die Entwicklung durch, so folgt unter 
Vernachlässigung von Grössen zweiter Ordnung: 



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40 



<-arl Friedrich G- 



Hierin ist wieder der Kiirze halber L <rese-tzt för 



■! rfv h h 



Es verhalt sieh al-o da» erste Dreieck zum 



zweiten wie 



1 : 1 -J- 



Diese« Ve:h.-u:n;ss i.< al-o ona^iianziar 
des Elementes / and es wird 



oder naeh. Entw.'rki'ii^ <ir? ♦.rLe'te:*: 

- r - " " 

0 



V P * ., .... oo... c<5v . 



D - Variation der ganzen o'-errid.-he /" erhalten wir dureh 
Integration dies-:-! .Vi-bo'-k^ ü v .er alle Elemente Zu die- 

se m Z*e:k wollen wir die zwei TL- II- des Integrals: 



und 



./ u •: r ' c jt ♦> r J 



/' r f - cö/ , ^ 



77 ~ ' ? T v 



j = B 



von einander gesondert betrachten. 

Wir denken uns eine zur l'-Ase normale Ebene, nnd zwar 
so jrelesren, das* der eonstante Werth der ihr entspricht, in 
das Gebiet zwischen den Extremwerthen fallt, die *j auf der 
Otorfliteh': r einnimmt. Diese Ebene muss die Peripherie P 



Digitized by CoOgt 



Grandlugen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 41 



in zwei oder vier oder sechs etc. Punkten schneiden, deren 
ce-Coordinaten der Reihe nach x°, x, x" etc. seien. Alle 
übrigen diesen Punkten zugehörenden Grössen wollen wir durch 
die gleichen Indices unterscheiden. Die Oberfläche soll in 
gleicher Weise noch von einer zweiten Ebene geschnitten wer- 
den , die der ersteren unendlich benachbart und parallel und 
die durch die Coordinate ;/ -f - dy gegeben ist. Zwischen diesen 
beiden Ebenen mögen sich die Elemente dP°, dP\ dP' r etc. 
der Grenzlinie befinden. Man erkennt leicht, dass : 

dy = —Y»dP<> = + Y'dP' = — Y"dP" = + Y t "dP"' etc. 

ist. Denken wir uns ausserdem unendlich viele zur avAxe 
senkrechte Ebenen, so wird jedem Elemente dx, das zwi- 
schen x° und x oder zwischen x" und x"' etc. gelegen ist, 

d x di/ 

ein Flächenelement dU = — ^— entsprechen. Es ergiebt sich 

demnach für denjenigen Theil von A , der dem zwischen den 
Ebenen y, y + dy gelegenen Theile der Oberfläche entspricht, 
der Werth 

zu erstrecken von x = x° bis x = x' y dann von x = x" bis 
x = x" etc. Unbestimmt integrirt ergiebt dieses Integral: 



>2_L.r2 c r 



— dy I löx — - " dy < " — dz ^1 dx 

J J \ üx J hx hxj 

und dieses geht in unserem Falle über in 

(» 02 _J_ £0 2 £0,0 \ 

— <5*° - -j-J- öy« - S 0 <te°) ™ po 

(»2 , r"2 C' r " i 



-j- etc. 



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42 Carl Friedrich Gauss, 

oder in kürzerer Schreibweise: 



- ftduidx-J* <?*/- ? -d*^) 



Hierin ist die Summation über alle zwischen den Ebenen 
y und y + dy gelegenen Elemente dP, die Integration über 
alle zwischen y und y -f- <f?y gelegenen Elemente <ZZ7 zu er- 
strecken. 

Die ganze Grösse Ä wird demnach ausgedrückt durch 



- ^ <ty - |i Ä J rdP 



worin die erste Integration über die ganze Peripherie P, die 
zweite über die ganze Oberfläche U zu erstrecken ist. 

23. 

Durch eine ganz ähnliche Rechnung finden wir: 
D = j ^ Öx - * 2 ~t ^ dy + r; <Js) XdP 

+ fr dU (öx-^-dy — *— + ^ ) • 
J \ d/y ^ ö?y öy/ 

Setzen wir also für irgend einen Punkt der Grenzlinie P 

[A'i;>; + l^ 2 + &)]dx - [X& + £*) + F^dy 

und für einen Punkt der Oberfläche U 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 43 

\ ö y ö x J * ö // ö y ' 

so wird endlich 

ÖU=fQdP+fvdU 1 

worin die erste Integration über die ganze Peripherie P, die 
zweite über die ganze Oberfläche U zu erstrecken ist. 



24. 

Die eben aufgestellten Formeln für Q und V kann man 
wesentlich zusammenziehen. Unter Zuhilfenahme der Beziehung: 

+ Yrj + ZI = 0 

nimmt 0 sofort die symmetrische Form an: 

Q = ( F£ — Zij) + (z? - -xt) dz/ + —n) . 

Um auch den für F erhaltenen Ausdruck in eine übersicht- 
lichere Form überzuführen, beachten wir, dass aus den Glei- 
chungen : 



folgt : 



d y bx 



Daher wird 



Aus der Relation § 2 + /, 2 -h £ 2 = 1 folgt: 



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44 



Carl Friedrich Gauss 



und folglich: 




Substituten wir diese Werthe in dem Coefficienten von dx 
im Ausdrucke F, so wird dieser 



In gleicher Weise erhalten wir ferner in demselben Ausdruck 
für den Coefficienten von öy 



Bevor wir weiter gehen, scheint es angebracht, die geo- 
metrische Deutung der erhaltenen Ausdrücke uns zu vergegen- 
wärtigen. Zu diesem Zwecke wollen wir die verschiedenen 
hier auftretenden Richtungen der Anschauung leichter zugäng- 
lich machen, indem wir die Methode befolgen, die in den 
»Disquiss. gen. circa superficies curvas« benutzt ist: Wir ver- 
anschaulichen sie durch Punkte auf einer um ein willkürliches 
Centrum mit dem Radius 1 gelegten Kugelfläche. Wir bezeich- 
nen so zunächst die Richtungen der Coordinatenaxen sc, jy, % 
durch die Punkte (1), (2), (3), dann die Richtung der auf der 
Oberfläche von s aus nach aussen hin errichteten Normalen 
durch den Punkt (4), endlich die Richtung der Geraden, die 
von einem jeden Punkte der Oberfläche nach dem Orte, in 
dem er sich nach der Variation befindet, gezogen wird, durch 
den Punkt (5). Die Variation des Punktes selber, d. h. die 

Grösse V{dx? + öy 2 + öx 2 ) , die wir immer als positiv rech- 
nen wollen, bezeichnen wir der Kürze halber mit de, und den 
Bogen zwischen zwei Punkten der Kugel — z. B. (1) und (5) — 
oder den Winkel, der diesen Bogen misst, schreiben wir (1, 5). 





und es ergiebt sich daher: 



25. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 45 

Es wird also: 

öx = de cos (1, 5) ; öy = de cos (2, 5) ; 

dz = ö z cos (3, 5) . 

Dies gilt für jeden Punkt der Oberfläche. Auf ihrer Um- 
grenzung, d. h. der Peripherie P, treten noch zwei andere 
Richtungen auf. Einmal die Richtung des Elementes dP, der 
der Punkt (6) entsprechen möge, dann die Richtung der Nor- 
malen hierauf, die die Oberfläche tangirt und in das Innere 
derselben gerichtet ist. Dieser soll der Punkt (7) entsprechen. 
Nach unserer Voraussetzung folgen sich die Punkte (6), (7), (4) 
im gleichen Sinne wie die Punkte (1), (2), (3). Es sei noch 
darauf aufmerksam gemacht, dass (4, 6), (4, 7), (6, 7) Quadranten 
oder rechte Winkel darstellen. Es folgen so die Gleichungen, 
die wir schon in Abschnitt 20 gegeben haben: 

ij Z - £Y = cos (1, 7) , IX —$Z= cos (2, 7) , 

ij.Y= cos (3, 7) . 

Die Formeln des vorigen Abschnittes gehen dann über in: 

Q = — de cos (5, 7) , 

*)(!!+$• 

Es bezeichnet daher Q die Verschiebung eines Punktes der 
Peripherie P senkrecht zu der zu U normalen Tangentialebene 
an P, positiv zu rechnen in der Richtung von der Oberfläche 
V aus abgewendet. Der Factor in V aber, de cos (4, 5), be- 
zeichnet die Verschiebung eines beliebigen Punktes der Ober- 
fläche U in der Richtung der Normalen auf U, positiv zu 
rechnen in der Richtung vom Räume s abgewendet. 

Wir können aber auch den anderen Factor von V durch 
eine geometrische Darstellung deuten. Wir haben nämlich: 




Daraus ergiebt sich: 

j — i? "0 7 U V I V«» 7 U " 



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46 Carl Friedrich Gauss. 

a| _ r _ a v öj; 

ä 2 ^ ?> 2 - 

öi; ^ o 2 ~ ..d 2 ; t ^ ö 2 ^ 

ö 2 r ö 2 s 



und somit: 
d .r ö // 

Der Werth dieses Ausdruckes ist bekanntlich 

R + IV ' 

wenn R und 7?' die extremen Krümmungsradien in dem zu 
betrachtenden Punkte bezeichnen, und zwar sind sie positiv zu 
rechnen, wenn die Oberfläche ihre convexe Seite nach aussen 
kehrt. 

26. 

Eine aufmerksame Prüfung unserer Rechnung von Ab- 
schnitt 22 an lässt uns eine stillschweigende Annahme er- 
kennen, die ihr anhaftet, nämlich die, dass jedem Werthepaare 
von j\ y nur ein einziger Werth von % zugehört, und dass T 
überall auf der Oberfläche positiv ist. Nichtsdestoweniger wird 
aber die Allgemeiugültigkeit des endlichen Theorems, auf das 
uns die Rechnung geführt hat, nämlich: 

dU = — j de cos [b,7)dP + f Öc cos (4, 5) + ^) dU, [l 

durch diese Annahme nicht beeinträchtigt. Wenn wir diese 
Allgemeingültigkeit gleich von Anfang an hätten wahren wollen. 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 47 

hätten wir entweder uns auf Weitschweifigkeiten einlassen 
oder einen etwas anderen Weg verfolgen müssen. Aber vdr 
können leicht zum selben Ziele auch durch folgende Erwägun- 
gen gelangen. 

Unsere Analysis ist offenbar unabhängig von der Voraus- 
setzung, dass die s-Axe vertical steht. Es ißt überhaupt die 
Lage des Axensystems vollkommen willkürlich, und die Gültig- 
keit des Theorems bleibt aufrecht erhalten für alle Oberflächen, 
bei denen der Complex aller Punkte (4) durch eine einzige 
Halbkugel umfasst werden kann: es genügt nämlich, das Cen- 
trum dieser Halbkugel, d. h. den Pol mit dem Punkte (3) zu- 
sammenzulegen. 

Wenn aber eine Oberfläche dieser Bedingung nicht genügt, 
so ist es immer möglich, sie in zwei oder mehr Theile zu zer- 
legen, von denen jeder einer solchen Bedingung genügt. Man 
erkennt dann leicht, dass, wenn eine Oberfläche in zwei Theile 
zerlegt ist, die Gültigkeit des Theorems für die ganze Ober- 
fläche aus der Gültigkeit für die einzelnen Theile sich folgern 
lässt. Es bestehe z B. die Fläche U aus den Theilen r', V'\ 
und es sei P die Umgrenzung von U' 1 P'' die von I'". Es 
habe ferner P' mit P" den Theil P'" gemeinsam, so dass P' 
aus P " und P"" P" aus P'" und P'"" besteht. Es soll also 
die Umgrenzung P der ganzen Fläche V sich aus P"" und P'"" 
zusammensetzen. Dann wird 

f de cos (5, 7) dP' 

=föc cos [5, 1) dP'" + för cos (5, 7) dP"" , 

föews (5, l)dP" 

=fde cos (5, 7) dP'" -h j de cos (5, 7) dP 

Es ist nun wohl zu beachten, dass der Werth von 

f öe cos (5, 7) dP"\ 

so weit er einen Theil des ersten Integrals bildet, gerade ent- 
gegengesetzt ist dem Werthe des gleichen Integrals, sobald es 
ein Theil des zweiten Ausdruckes ist. Denn einem jeden 
Punkte der Linie P", die in diesen beiden Fällen in ent- 
gegengesetzter Richtung zu durchlaufen ist, entsprechen 



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48 



Carl Friedrich Gauss. 



entgegengesetzte Punkte (7) und folglich entgegengesetzte 
Werthe des Factors cos (5, 7). Bei der Addition heben diese 
beiden Theile sich also gegenseitig auf, und es folgt: 

j de cos (5, 7) dP' + Jde cos (5, 7) dP" 

=Jde cos (5, 7) dP . 

Es ergiebt sich hieraus, dass, da dU = dU' -f- dU" ist, 
der Werth von dU mit dem in Formel (I) aufgestellten im 
Einklang steht, wenn diese Formel für die Werthe der Va- 
riationen dU', dU" zutreffend angenommen wird. Zum Schlüsse 
bemerken wir noch, dass wir die Gültigkeit des Theorems (I) 
auch aus geometrischen Betrachtungen hätten folgern können, 
und zwar leichter als auf analytischem Wege. Wir haben 
aber diesen letzteren hier eingeschlagen, um die Gelegenheit 
zu benutzen, die Variationsrechnung, angewandt auf doppelte 
Integrale mit variabeln Grenzen, die bisher nur wenig erforscht 
ist, aufzuklären. Die ziemlich nahe liegende andere, geometri- 
sche Methode überlassen wir dem erfahrenen Leser. 



27. 

Es bleiben uns jetzt noch die Variationen zu untersuchen, 
die die übrigen Elemente des Ausdruckes W bei einer Form- 
änderung des Raumes *• erfahren. Zuerst wollen wir auf die 
Variation des Volumens von s eingehen. 

Wir nehmen die zwei in Abschnitt 21 betrachteten Drei- 
ecke wieder auf und verbinden entsprechende Punkte der Seiten 
mit einander. Es entsteht dadurch ein Körper, an Stelle des- 
sen wir ein Prisma setzen können mit der Basis dU und der 
Höhe £dx -f- t]dy -|- Cdz = de cos (4, 5) . Diese Formel 
liefert eine positive oder negative Zahl, je nachdem das ver- 
schobene Dreieck — und damit der ganze Körper — ausser- 
halb oder innerhalb des Raumes s gelegen ist. Wir haben 
somit : 

Ös= fdU de cos (4,5) (II) 

Und weiter folgt hieraus für die Variation des Integrals fzds : 

d f xds = j zdUde cos (4, 5) (III) 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 49 



Was nun ferner die Variation der Grösse T anbelangt, so 
sei auf Folgendes aufmerksam gemacht. Da P die gemein- 
same Grenzlinie der Oberflächen Y 7 , V darstellt, so müssen die 
Verschiebungen der Punkte von P der Bedingung genügen, 
dass ihre neuen Orte auf der Oberfläche von $ bleiben. Es 
erfährt demnach augenscheinlich durch die Verschiebung des 
Elementes dP die Oberfläche T eine Veränderung 



Das Vorzeichen dieser Veränderung wird, wie man leicht tiber- 
sieht, allgemein positiv oder negativ ausfallen, je nach dem 
Vorzeichen der Grösse cos (4, 5). Zweckmässiger aber drücken 
wir diese Veränderung durch Einführung einer neuen Richtung 
aus. Diese soll die Oberfläche von S tangiren, auf P senk- 
recht stehen und von s aus nach auswärts gerichtet sein. Den 
dieser Richtung zugehörenden Punkt der Kugelfläche bezeich- 
nen wir mit (8). Dann wird die Variation der Oberfläche 7 1 , 
die von der Verschiebung des Elementes dP herrührt 



Das Vorzeichen des Factors cos (5, 8) entscheidet darüber von 
selbst, ob die Veränderung einen Zuwachs oder eine Abnahme 
bedeutet. 

Da der Punkt (6) der Pol zu dem durch (7) und (8j ge- 
zogenen grössten Kreis ist, und da der Punkt (5) auf dem 
grössten Kreis durch die Punkte (6), (8) liegt, so bilden 
(5), (7), (8) ein Dreieck, das bei (8) einen rechten Winkel be- 
sitzt. Es ist demnach cos (5, 7) = cos (5, 8) cos (7, 8). Der 
Bogen (7, 8) misst aber den Winkel zwischen zwei Ebenen, 
die die Oberflächen von s und S in ihrer Schnittlinie P tan- 
giren, und zwar den Winkel zwischen den Theilen dieser 
Ebenen, die den leeren Raum einschliessen. Nennen wir 
diesen Winkel so ist 180° — i der Winkel zwischen den 
Seiten der Tangentialebenen, die den Raum s in sich fassen, 
und es wird unsere Formel 



=b dPör sin (5, 6) . 



dPdr cos (5, 8) 



oder es wird 




(IV) 



cos (5, 7) =-- cos (5, 8) cos * 



(V) 



ostwal.l's Klassiker. i:$5. 



4 



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50 



Carl Friedrich Gauss. 



28. 



Aus den Formeln (Ii bis (IV) folgt die Variation des Aus- 
druckes TT" 



wo das erste Integral über alle Elemente dU des freien Theiles 
oder (wenn mehrere getrennt vorhanden) der freien Theile der 
Oberfläche von s zu erstrecken ist. Das zweite Integral muss 
über alle Elemente dP der Linie oder der Linien erstreckt 
werden, die diese freien Oberflächentheile von den den Kaum 
£ berührenden Theilen trennen. 

Es rauss nun im Zustande des Gleichgewichts der Werth 
von W ein Minimum sein, und somit kann W bei einer un- 
endlich kleinen Aenderung der Flüssigkeitsform, bei der das 
Volumen .9 unverändert bleibt, d. h. bei der 



verschwindet, eine negative Aenderung nicht erfahren. Es folgt 
daraus leicht, dass die Form der Oberfläche U in der Gleich- 
gewichtslage so beschaffen sein muss, dass auf allen ihren 
Punkten das Element der Aenderung öW 



proportional mit dem Elemente der Variation ös, also mit 
dUöc cos (4, 5) sein muss, mit anderen Worten, es muss 



sein. Denn, wenn diese Proportionalität nicht bestände, dann 
würde bei geeigneter Wahl der Oberflächenänderung von V 
der Werth von W einer Abnahme fähig sein, während dabei 
die Grenzlinie P ungeändert gehalten wird. Uebrigens gilt 
diese Gleichung für die ganze Oberfläche U, auch wenn diese 
aus mehreren gesonderten Theilen besteht, so lange nur die 
Flüssigkeit in sich im Zusammenhang steht. 








(VI! 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 51 



Diese Gleichung bildet das erste grundlegende Theorem in 
der Gleichgewichtstheorie der Flüssigkeiten, dasselbe, das schon 
Laplace, allerdings auf ganz anderem Wege, aufgefunden hat. 

Wenn wir die Horizontalebene, für die % gleich der in 
unserer Gleichung auftretenden Constanten ist, und die wir 
als »normale Horizontalebene« (plan de niveauj bezeichnen 
können, an Stelle unserer Ebene z = 0 einführen, so wird 



und wir ziehen daraus die nachstehenden Folgerungen: 

I. Wenn die Normalebene die freie Oberfläche U irgendwo 
schneidet, so muss an jedem Punkte der Schnittlinie die Ober- 
fläche nothwendig coneav-convex sein, und der grösste Krüm- 
mungsradius der Convexität muss gleich dem grössten Krüm- 
mungsradius der Concavität sein. 

II. Oberhalb der Normalebene muss die Oberfläche entweder 
concav-concav sein, oder, wenn sie irgendwo coneav-convex 
ist, so muss die Concavkrtimmung die Convexkrümmung über- 
wiegen. 

III. Unterhalb der Normalebene muss die Oberfläche ent- 
weder eonvex-convex sein, oder, wenn sie irgendwo coneav- 
convex ist, so muss die Convexkrümmung die Concavkrümmung 
überwiegen. 

IV. Die freie Oberfläche kann keinen ebenen Theil von 
endlicher Ausdehnung besitzen, der anders als horizontal ge- 
legen wäre und mit der Normalebene zusammenfiele. 



Mittels der soeben aufgestellten Gleichung reducirt sich 
die Variation von W auf 



Führen wir nun einen Winkel A ein, gegeben durch die 
Bedingung 




29. 



ÖW=—ldP de cos (5, 8) («2 cos * — «2 _|_ 2 ^2)} . 





so folgt 



Ö W = a*f dPöe cos (5, 8) (cos A - cos *) , 

4* 



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52 



Carl Friedrich Gauss. 



worin die Integration über die ganze Grenzlinie P zu er- 
strecken ist. Es sei daran erinnert, dass der Factor cos (5, 8 
gleich db sin (5,6) ist, wobei das positive oder negative Zei- 
chen zu wählen ist, je nachdem die Flüssigkeit in ihrer vir- 
tuellen Bewegung am Orte des Elementes dP über die Grenze 
P hinaustritt oder unter sie zurücksinkt. Hieraus entnehmen 
wir leicht, dass allgemein im Zustande des Gleichgewichts 
überall 

i = A (VII 

sein muss. Denn wenn z. B. an irgend einer Stelle der Linie /' 
/ <d A wäre, dann würde eine virtuelle Verschiebung der ersten 
Art an dieser Stelle — bei Festbleiben des übrigen Theiles 
von P — offenbar eine negative Aenderung von W hervor- 
bringen. Andererseits würde eine negative Aenderung von W 
durch eine virtuelle Flüssigkeitsverschiebung der zweiten Art 
hervorgerufen, wenn an irgend einer Stelle der Linie P i > A 
wäre. Beide Annahmen widersprechen also der Gleichgewichts- 
bedingung des Minimums. 

Dies ist das zweite Fundamentaltheorem, das ebenfalls in 
die Untersuchungen von Laplace eingewebt ist. Aber aus einem 
Princip der Molecularkräfte ist es nicht abgeleitet. 

30. 

Das im vorigen Abschnitt gewonnene Theorem bedarf in 
einem gewissen Falle, den wir nicht übergehen dürfen, einer 
Ergänzung. Wir haben stillschweigend vorausgesetzt, dass die 
Oberfläche des Gefässes in der Nachbarschaft der Grenzlinie 
P eine sich stetig ändernde Krümmung besitzt, so dass an 
jeder Stelle dieser Grenzlinie nur eine die Gefässwand berüh- 
rende Tangentialebene existirt. Wenn die Continuität der 
Krümmung in irgend einem singulären Punkte von P gestört 
ist, sei es dass die Fläche hier eine Spitze besitzt, sei es 
dass eine Schneide die Linie P durchsetzt, so erkennt man 
leicht, dass unsere Schlussfolgerungen dadurch nicht beeinträch- 
tigt werden. Anders verhält es sich, wenn die Continuität der 
Krümmung längs eines endlichen Theiles der Grenzlinie P eine 
Unterbrechung erfährt, also wenn etwa die Oberfläche des Ge- 
fässes längs eines endlichen Theiles der Linie P (oder auch 
längs der ganzen Linie) eine Schneide besitzt. Dann existiren an 
jedem Punkte dieses Theiles zwei die Gefässwand berührende 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 53 

Tangentialebenen, von denen die eine dem freien Oberflächen- 
theile des Gefässes angehört, die andere dem Theile T. Be- 
halten wir für den zwischen der erstgenannten und der die 
Fläche U tangirenden Ebene gelegenen Winkel das Zeichen i 
bei, und bezeichnen wir den Winkel zwischen der zweitgenann- 
ten Ebene und der Tangentialebene zu U mit k, dann wird 
nicht mehr i -f- k = 180° sein, sondern es muss grösser oder 
kleiner sein, je nachdem die Schneide convex oder concav ist. 
Während nun das Element der Variation ö W bei einer virtu- 
ellen Verschiebung der Flüssigkeit über die Grenzlinie P hinaus 
auch jetzt noch durch 

a 2 dPöe sin (5, 6) (cos A — cos i) 

gegeben ist, so wird das Element dieser Variation, wenn die 
virtuelle Verschiebung durch ein Zurücktreten der Flüssigkeit 
unter die Grenzlinie bedingt ist, gleich 

— a*dPde sin (5, 6) (cos A + cos k) . 

Damit es nun unmöglich gemacht wird, dass W eine negative 
Aenderung erfährt, ist zu verlangen, dass weder cos A — cos i 
negativ, noch cos A -f- cos k positiv ausfällt, d. h. es muss sein 

entweder i = A oder i > A , 

und fc=180° — a oder fc>180° — A. 

Im Zustande des Gleichgewichts kann also niemals 

i + k< 180° 

werden, oder mit anderen Worten: Im Zustande des Gleich- 
gewichts kann niemals die Grenzlinie der freien Ober- 
fläche U sich längs eines endlichen Stückes auf einer 
concaven Schneide befinden. Sobald dagegen ein Theil 
dieser Grenzlinie mit einer Cpnvexschneide zusammenfällt, ist 
die nothwendige und hinreichende Bedingung des Gleichgewichts, 
dass der Winkel zwischen den Tangentialebenen an die Flüssig- 
keit und an das Gefäss innerhalb der Grenzen A und A + a 
(einschliesslich) gelegen ist, wenn wir ihn ausserhalb der Flüs- 
sigkeit messen, und zwischen 180° — A und 180° — ^i + a, 
wenn wir ihn innerhalb der Flüssigkeit messen. Wir haben 
hier den Winkel zwischen den zwei Tangentialebenen, die man 
am Orte der Schneide an die Gefässoberfläche legen kann, 
unbestimmt mit 180° — a bezeichnet, gemessen im Inneren der 
Gefässwand. 



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54 



Carl Friedrich Gauss. 



31. 

Die Constauten a 2 , ß 2 , deren Verhältniss den Winkel A 
bestimmt, hängen von den Functionen /*, F ab, und sie kön- 
nen in gewissem Sinne angesehen werden als ein Maass für 
die Intensität der Molecülarkräfte, die die Theilchen der Flüs- 
sigkeit und des Gefässes ausüben. Wenn diese Functionen so 
eingerichtet sind, dass f(x), F(x) in einem festen vom Abstand 
x unabhängigen Verhältniss stehen, wenn sie sich z. B. wie 
u zu N verhalten, so können wir sofort schliessen 

a 2 :ß 2 cu: CN, 

• 

d. h.- die Constanten a 2 , ß 2 werden proportional den anziehen- 
den Kräften, die im gleichen Abstand zwei hinsichtlich ihres 
Volumens gleiche Molekeln ausüben, deren eine der Flüssig- 
keit, die andere dem Gefasse angehört. Denken wir uns jetzt 
die vier Fälle, dass ^4 gleich einem spitzen, einem rechten, 
einem stumpfen, gleich zwei rechten Winkeln wird, je nachdem 

/* 2 <i« 2 , ß 2 = \ci 2 , Ja 2 </* 2 <« 2 , ß 2 = a 2 

wird. Im Sinne unserer Hypothese (die zwar unbewiesen ist, 
aber der Wahrscheinlichkeit nicht widerspricht) müssen wir 
dann sagen : Der erste Fall tritt ein, wenn die wechselseitige 
Anziehung der Flüssigkeitstheilchen grösser ist als die doppelte 
Anziehung der Gefässtheile auf die Flüssigkeit; der zweite, 
wenn die erstgenannte Anziehung doppelt so gross ist als die 
letztere; der dritte Fall, wenn die erstere grösser ist als die 
letztere, aber kleiner als ihr doppelter Betrag ; der vierte Fall 
endlich, wenn beide Anziehungen einander gleich sind. Ein 
Beispiel zum ersten Falle bietet Quecksilber in Glasgefassen. 

< 

32. 

Wie gross wird aber der Winkel A in dem Falle, wo die 
Anziehung des Gefässes grösser ist als die wechselseitige An- 
ziehung der Flüssigkeitstheile unter einander? Der imaginäre 

Werth, den nach der Formel sin 1 A = der Winkel A für 

ß 2 > a 2 erlangt, beweist, dass diesem Falle irgend eine un- 
zulässige Annahme zu Grunde liegt. In der That, sobald 
^ 2 > « 2 , ist die Annahme einer Begrenzung der Oberfläche T 
mit der Minimumbedingung für die Function W nicht mehr 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 55 

vertraglich. Denn wo man auch die Grenze annimmt, man 
erkennt sofort: Wenn man über diese Grenze hinaus eine sehr 
dünne Haut ausgedehnt denkt, so dass T den Zuwachs T und 
U einen diesem fast gleichen Zuwachs erhält, so erfährt W 
eine Aenderung, die merklich gleich der Grösse 

a 

— (2 £2 _ 2 c*2) r 

ist. Es ist also der Werth von W so lange einer weiteren 
Verkleinerung fähig, bis T' die ganze freie Oberfläche des Ge- 
fä9ses bedeckt hat. Der Werth der Veränderung 

- (2 ß 2 — 2 a' 2 ) T' 

wird um so mehr sich der Wahrheit nähern, je geringer wir 
die Dicke der Haut annehmen. Und so lange es sich nur 
um den Werth des Ausdruckes W handelt, steht nichts im 
Wege, diese Dicke bis zum Verschwinden verkleinert zu denken. 
Jedoch ist eine Haut von verschwindender Dicke (wohl zu 
unterscheiden von einer unmerklichen Dicke) nur eine mathe- 
matische Fiction, und die Form des Raumes so weit sie 
dieser Fiction genügt, wird sich in der That nicht von der 
unterscheiden, bei der im Falle ß 2 = a 2 die Function W einen 
Minimalwerth erreicht. 

Etwas anders liegt die Sache bei unserem physikalischen 
Problem, wo eine solche Haut eine gewisse, wenn auch un- 
messbar kleine Dicke besitzen muss, damit Gleichgewicht herr- 
schen kann. Wenn ein solcher Theil vorhanden ist, ist der 
Ausdruck IF, wie in Abschnitt 18 gezeigt ist, nicht vollständig. 
Bezeichnet T' den von der Haut bedeckten Theii des Gefässes, 
und ist q die Dicke derselben, so treten zu Q noch die Glieder 

7tr 2 jo'[f})dr — ;ccC jv(Q)dT' , 

also zu W die Glieder 

Da also IF, wenn eine solche Haut auftritt, bereits die Aen- 
derung — (202 — 2a 2 )T f erfährt, so folgt, dass die Gesammt- 



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Carl Friedrich Gauss. 



änderung, die hinzutritt zu dem Werthe von JF, der ohne Be- 
rücksichtigung der Haut statt hat, gleich 

-/"H-^)-(-^)] . 

ist. Diese Aenderung wird wegen 0'(O) = 0(O), @'(O) = 0(O) 
bei verschwindender Dicke gleich 0; und da #'((>), mit 
zunehmender Dicke g sehr schnell abfällt und schon für einen 
unmessbar kleinen Werth von q unmessbar klein wird, so er- 
giebt sich, dass diese Aenderung sehr schnell gegen den Werth 
— [2ß 2 — 2 u 2 ) T' convergirt, und sie muss im Gleichgewichts- 
zustand ihm merklich gleich sein, damit der strenge Werth 
von W einer weiteren Verminderung nicht mehr fähig ist. 
Uebrigens verlangt die Aufstellung eines vollkommenen Ge- 
setzes, dem die Dicke q folgen muss, tiefergehende Entwick- 
lungen, bei denen wir uns hier aber nicht länger aufhalten 
wollen ; denn ohne Kenntniss der Functionen fr\ von denen 
die Functionen 0\ 0' abhängen, und wegen der Erwägungen, 
die wir im Abschnitt 34 geben wollen, scheint diese Frage 
müssig zu sein. Für die Erforschung des wesentlichen Theiles 
der Flüssigkeit, d. h. des Theiles, dessen Dimensionen sämmt- 
lich messbare Grössen sind, genügt es in unserem Falle, also 
wenn /J 2 >a 2 , das Gefäss in der Nachbarschaft der Grenzlinie 
dieses wesentlichen Theiles benetzt, d. h. mit einer Flüssigkeits- 
haut bedeckt zu denken, deren Dicke zwar unmessbar klein, 
aber doch so gross ist, dass 0'(q) und 0'((>) vernachlässigt 
werden können. Unter dieser Annahme wird die Function, 
die im Gleichgewichtszustand ein Minimum werden soll, gleich 

I x <ls - 2 — a 2 ) (T + T') — « 2 T + « 2 r ; 

hierin dürfen T und V nur auf den wesentlichen Theil der 
Flüssigkeit bezogen werden. Es folgt demnach, dass die Va- 
riation dieser Function, soweit sie von einer virtuellen Form- 
änderung des wesentlichen Theiles der Flüssigkeit herrührt 
(eine Aenderung , die die Summe T -f- T' nicht beeinflusst), 
zusammenfällt mit der Aenderung des Ausdruckes 

d.h. mit der Aenderung des Ausdruckes, der im Falle ß 2 =a 2 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 57 



ein Minimum sein muss. Wir entnehmen daraus, dass eine 
Flüssigkeit in einem Gefässe, bei dem ß 2 >a 2 ist, dieselbe 
Gleichgewichtsfigur bildet, wie in einem Gefässe, bei dem 
ß 2 = a 2 , nur mit dem Unterschied, dass sie im ersten Falle 
streng genommen in eine Haut von unmessbar kleiner Dicke 
auslaufen muss. 

Uebrigens hat bereits Laplace darauf hingewiesen, da3s in 
diesem Falle ein Gefäss, das mit einer' unmessbar dünnen 
Fltissigkeitshaut bedeckt ist, gleichwerthig ist mit einem Ge- 
f&ss, dessen Massentheile die gleiche anziehende Kraft auf die 
Flüssigkeit ausüben, wie die Flüssigkeitstheilchen unter ein- 
ander. 

Es folgt hieraus von selbst die Abänderung, die wir bei 
unseren Darlegungen in Abschnitt 19, betreffend die Steighöhe 
von Flüssigkeiten in verticalen Capillarröhren , anzubringen 
haben: Sobald ß 2 > a 2 , haben wir in den dort aufgestellten 
Formeln ß 2 durch a 2 zu ersetzen. 



In dem Falle, wo ß 2 < « 2 , kann eine Benetzung des Ge- 
fässes mit einer Flüssigkeitshaut von unmessbar kleiner Dicke 
nicht statt haben, wenigstens nicht, wenn das Gesetz der Func- 
tionen 0\ G' derart ist, dass der Werth der Function 



die wir kurz mit Q(o) bezeichnen wollen, stetig zunimmt, wenn 
q von 0 bis zu einem messbaren Werthe anwächst. Denn es 
würde offenbar bei einer derartigen Beschaffenheit der Func- 
tion Q(q) die Existenz einer solchen Haut der Bedingung des 
Minimums widersprechen. Diese Beschaffenheit von Q(q) leitet 
sich von selbst aus der Hypothese ab, über die wir in Ab- 
schnitt 31 gesprochen haben, nämlich dass f[x) und F(x) in 
einem festen, von x unabhängigen Verhältniss stehen. Hieraus 

würde nämlich folgen, dass = , { , und somit 



Wenn aber f und F einem anderen Gesetze folgen würden, 



33. 





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58 



Carl Friedrich Gauss. 



dann wäre denkbar, dass schneller abnimmt als ^J~^ , 

(y (Uj (i (O) 

und dass daher die Function Q{q) innerhalb des Gebietes, das 
die nnmessbar kleinen Werthe von q umfasst, zuerst negativ 
wird, und nachdem sie ihren kleinsten (d. h. den äussersten 
negativen) Werth erreicht hat, wieder durch den Werth 0 hin- 
durch sich ihrem positiven Grenzwerthe a 2 — ß 2 nähert. In 
einem solchen Falle würde das Gleichgewicht entschieden eine 
unmessbar dünne Flüssigkeitshaut fordern, deren Dicke so gross 
sein müsste, dass sich Q(q) nicht merklich von seinem Mini- 
malwerthe unterschiede. Bezeichnen wir diesen mit — ß' 2 , so 
folgt ß' 2 <ß 2 ; und die Form des wesentlichen Fltissigkeits- 
theiles wird ebenso begrenzt sein, als wenn sich die Flüssig- 
keit in einem Gefässe befände, für welches an Stelle von ff 2 
die Grösse ß' 2 einträte, d. h. der Winkel zwischen der Tan- 
gentialebene, die an der Grenze des wesentlichen Theiies die 
freie Oberfläche der Flüssigkeit berührt, und der Gefässwand 

ß' 

ergiebt sich gleich 2 arc sin — . Da es aber sehr zweifelhaft 

cc 

ist, ob ein solcher Fall in Wirklichkeit vorkommt, so scheint 
es nicht nöthig, länger dabei zu verweilen. 



34. 

Es wäre nicht im Sinne unserer Absicht, wenn wir von 
den hier aufgestellten allgemeinen Principien auf specielle Er- 
scheinungen tibergehen wollten, zumal da diese Principien ihrem 
Wesen nach mit der Theorie übereinstimmen, aus der Laplacc 
mit gutem Erfolg eine grosse Zahl auffallender Erscheinungen 
aus dem Gebiete der Gleichgewichtsform von Flüssigkeiten er- 
klärt hat. Es bleibt noch ein weites Feld, das reiche Ernte 
verheisst. Doch soll das späteren Arbeiten vorbehalten blei- 
ben. Dagegen ist es angemessen, einige Bemerkungen anzu- 
fügen, die theils neues Licht über unseren Gegenstand ver- 
breiten, theils irrige Deutung verhindern sollen. 

I. Unsere Theorie beansprucht nicht, eine mathematisch 
genaue Bestimmung der Gleichgewichtsfigur geben zu wollen. 
Sie begnügt sich damit, die Bestimmung einer Figur zu liefern, 
derart, dass die wahre Gleichgewichtsfigur nur unmessbar wenig 
von ihr abweicht. Es wäre ein Irrthum, wenn man dies einer 
Un Vollkommenheit der Theorie zuschreiben wollte. Unsere 



uigi 



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Grundlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 59 

Theorie leistet so viel, als sie in anbetracht unserer Unbe- 
kanntschaft mit dem Wirkungsgesetz der Molecularkräfte zu 
bieten vermag. Im Zustande des Gleichgewichts muss streng 
genommen die Function f2 ein Maximum sein, also 

9 <J<' 

ein Minimum; diese Function ist je nach dem Gesetz der Mole- 
cularanziehung nicht streng gleich der Function W, sie weicht 
aber nur unmessbar wenig von ihr ab. Also wird auch die 
Flüssigkeitsgestait, bei der IV ein Minimum wird, nicht streng 
gleich der Gleichgewichtsfigur sein, aber der Unterschied muss 
unmessbar klein sein, wenigstens so lange irgend eine mess- 
bare Aenderung dieser Figur einen um einen messbaren Betrag 
vergrößerten Werth von W hervorbringt. Offenbar wird hier- 
durch aber eine messbare Abweichung der Oberflächenkrüm- 
mung nicht ausgeschlossen, wenn diese sich nur auf ein un- 
messbar kleines Gebiet der Oberfläche beschränkt. Es darf 
deshalb auch bei der strengen Gleichgewichtsfigur der constante 
Winkel, den wir früher mit A bezeichnet haben, nicht mehr 
als der Neigungswinkel der Flüssigkeitsoberfläche gegen die 
Gefässwand am Orte desContactes beider angesehen werden, 
sondern lediglich als der Neigungswinkel derselben in un- 
messbar kleinem Abstände vom Gefäss. Aehnlich hat 
schon Laplaee richtig erkannt, dass die Neigung auf der Grenze 
der Wirkungssphäre mit dem Winkel A merklich übereinstimmt. 

II. Man muss wohl unterscheiden zwischen der Gleichge- 
wichtsgestalt und der der Ruhe. Sobald sich die Flüssigkeit 
im Zustande des Gleichgewichts befindet, muss sie sicherlich 
darin verharren. Wenn aber die Gestalt etwas von der der 
Gleichgewichtslage abweicht, so kann es gleichwohl vorkommen, 
dass die Flüssigkeit in Ruhe bleibt, oder, wenn sie iu Be- 
wegung ist, dass sie zur Ruhe kommt, bevor sie die Gleich- 
gewichtslage erreicht hat. Aehnlich wird z. B. ein Würfel, 
auf eine Horizontalebene gelegt, in Ruhe bleiben, aber er wird 
auch auf einer etwas geneigten Ebene noch in Ruhe bleiben, 
wenn die Reibung seine Bewegung hindert. Somit wird die 
Flüssigkeit in einer solchen Lage, in der W einen Minimal- 
werth besitzt, sicher ruhen. Befindet sie sich aber in einer 
etwas abweichenden Lage, bei der W noch einer Verminde- 
rung fähig ist, wird sie aus dieser nur dann in die Gleich- 
gewichtslage übergehen, wenn die Reibung sie nicht daran 
hindert. 



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60 



Carl Friedrich Gauss. 



Mit Rücksicht hierauf sind zwei Gleichgewichtsbedingungen 
wesentlich verschieden. Sicherlich ist die erste Fundamental- 
gleichung (Abschnitt 28, VI) unabhängig von einer Veränder- 
lichkeit der Grenzlinie d. h. sie ist für die Bedingung des 
Minimums auch dann noch erforderlich, wenn diese Grenze als 
unveränderlich vorausgesetzt wird. Wenn somit die Flüssigkeit 
eine vollkommene Flüssigkeit ist, so dass ein Theil frei über 
den anderen hingleiten kann, und auch die kleinste Kraft eine 
Bewegung verursacht, dann muss die Flüssigkeit sich noth- 
wendig jener Bedingung fügen. Ganz anders liegen die Ver- 
hältnisse bei dem zweiten Grundprincip (Abschnitt 29, VII), 
das wesentlich von der vollkommenen Beweglichkeit der Grenz- 
linie auf der Gefässwand abhängt. Die Minimumbedingung für 
den Werth W fordert unter allen Umständen die Beziehung 
i = A. Wenn nun die Flüssigkeitsoberfläche sich dem ersten 
Princip angepasst hat, und der Winkel i seinen Normalwerth, 
also auch W seinen absoluten Minimalwerth noch nicht erreicht 
hat, so kann der Uebergang zum vollkommenen Gleichgewicht 
nicht ohne Verschiebung der Grenzlinie P 1 also nicht ohne 
Bewegung der Flüssigkeit an der Berührungsstelle mit dem 
Gefässe erfolgen. Einer solchen Bewegung kann sich aber 
die Reibung widersetzen. Daraus erklärt es sich, warum wir 
bei Versuchen, angestellt an den gleichen Körpern, so grossen 
Differenzen in den Werthen des Winkels i begegnen. Des- 
gleichen vertheilt sich in dem Falle, dass /S? 2 >a 2 , die Flüs- 
sigkeit in dem Gefäss, dessen Wände bereits benetzt sind, 
entsprechend dem Gleichgewichtsgesetze, dem zufolge für den 
wesentlichen Theil der Flüssigkeit i — 180° sein muss. Wenn 
aber in einem Gefässe, dessen Wände ausserhalb der Flüssig- 
keit noch trocken sind, diese aus einer dem Gleichgewicht 
nicht zukommenden Stellung sich über die trockenen Wände 
ausbreitet, so kann sie zur Ruhe kommen, noch bevor der 
Winkel i den Werth 180° erreicht hat. Hieraus erklärt sich 
auch die Thatsache, dass die Capillarerscheinungen benetzen- 
der Flüssigkeiten in trockenen Röhren so grosse Unregelmässig- 
keiten aufweisen. Die Flüssigkeiten erreichen hier meist eine 
weit geringere Steighöhe als in vorher benetzten Röhren, in 
welchen man immer die schönste Uebereinstimmung mit der 
Theorie findet. 

III. Das Verhältniss der Constanten a, ß lässt sich aus 
Versuchen nicht mehr bestimmen, wenn ß grosser als « ist. 
Denn die Gleichgewichtsgestalten der gleichen Flüssigkeit in 



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Grandlagen einer Theorie der Gestalt von Flüssigkeiten etc. 61 

gleichgeformten, aber der Materie nach verschiedenen Gefässen 
unterscheiden sich in diesem Falle nicht mehr von einander, 
ausser in der unmessbaren Haut, die die Gefasswand bedeckt. 
Sobald aber ß kleiner als a ist, ist die Bestimmung des Ver- 
hältnisses dieser zwei Constanten mit Hilfe des Winkels * zwar 
möglich, kann aber wegen der vorhin angeführten Umstände 
kaum grosse Genauigkeit liefern. Für Quecksilber in Glas- 
gefässen fand Laplaee den Winkel i — 43° 12'. 

Weit grösserer Genauigkeit ist die Bestimmung der Con- 
stanten a fähig, besonders wenn es möglich ist, benetzbare 
Gefässe zu verwenden. Wasser von 8,5° C. liefert nach Ver- 
suchen, die Laplaee anführt*), die Werthe 

et 2 — 7,5675 mm 2 oder 
a — 2,7509 mm. 

Alkohol vom spee. Gew. 0,81961 giebt bei derselben Tempe- 

ratur « 2 = 3,0441 mm 2 oder 

« = 1,7447 mm. 

Terpentinöl von 8° C. giebt 

«2 = 3,305 mm 2 , 
a = 1,818 mm. 

Für Quecksilber bei einer Temperatur von 10° hat man, 
bis neue Experimente eine grössere Genauigkeit gewährleisten, 
zu setzen ß2 = 3>2Ö mm2 oder 

a = 1,803 mm. 

Es ist übrigens wahrscheinlich, dass die Temperatur nur 
insofern den Werth von a 2 beeinflusst, als von ihr die Dichte 
abhängt, der in unserer Theorie a 2 proportional ist. 

Die hier angegebenen Werthe sind erschlossen aus der 
Steighöhe oder der Depression der Flüssigkeiten in Capillar- 
röhren. Es ist jedoch sehr schwer, deren Durchmesser exaet 
zu messen, und noch schwerer, Sicherheit über die kreisförmige 
Gestalt des Querschnittes zu erlangen. Weit grössere Genauig- 
keit versprechen Versuche über Durchmesser und Volumen 
grosser Quecksilbertropfen , die man auf horizontalen Platten 



* Es sei bemerkt, dass die Grösse, die Laplaee mit H bezeich- 
net, unserem ncO(0 entspricht. Somit ist sein n dasselbe, was in 

unserer Bezeichnung — ^— oder , ist. 



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62 



Carl Friedrich Gauss. 



oder Schalen von sehr kleiner bekannter Krümmung ruhen 
lässt. Solche Versuche haben schon Scgrter und Gay-L,us$ac 
angestellt. Desgleichen möchte ich für Flüssigkeiten, welche 
Glasgefasse benetzen, Untersuchungen über die Dimensionen 
grosser Luftblasen empfehlen, angestellt in Gefassen, die man 
mit einem benetzten horizontalen und ebenen oder auch schwach, 
aber in bekannter Weise gekrümmten Deckglase verschliesst. 

IV. Um nicht die Grenzen dieser Abhandlung zu tiber- 
schreiten, musste die Anwendung unserer Grundprincipien an 
dieser Stelle auf den einfachsten Fall beschränkt werden, näm- 
lich den, wo eine einzige Flüssigkeit in einem festen Gefässe 
angenommen war. Es hindert aber nichts, die grösste All- 
gemeinheit der Theorie zu gewinnen, so dass sie auch das 
Problem mehrerer Flüssigkeiten in einem Gefässe, ja sogar 
den Fall umfasst, wo starre Körper ganz oder zum Theil in 
die Flüssigkeit eintauchen. Aber die ausführlichere Behand- 
lung dieser Fragen müssen wir uns für eine andere Gelegen- 
heit vorbehalten. 



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Anmerkungen. 



1) Zu Art. 26 (S. 47). Die andere Methode, die Garns 
hier im Sinne hat, beruht ohne Zweifel auf der Darstellung 
der krummen Oberflächen, die in der mehrfach citirten Ab- 
handlung zur Fiächentheorie gegeben ist, bei der die recht- 
winkligen Coordinaten ?/, % eines Punktes der Fläche als 
Functionen zweier unabhängiger Variablen p, q dargestellt sind. 
Dieser Weg hat überdies vor dem im Text eingeschlagenen 
den Vorzug der Symmetrie und mag hier kurz skizzirt werden. 
Wir wenden die Bezeichnung an, die Gauss in der Abhand- 
lung über die Flächentheorie gebraucht. 

Wir setzen 

dx = adp 4- a'dfj , 
dy = bdp -\- b'dq , 
dz = r-dp -f- r 'dfj y 

also 

bx bx by by 

a ■ — — - , a = - , f> — t b = — , 
bp 1 bq bp 1 bq 

bz , b % 

Dann ergeben sich für jlie Cosinus der Winkel, die die 
Normale n mit den Ooordinatenaxen bilden, die Ausdrücke: 

, . bc' — (-}) ca—ae' ab' — ba 

W = ~j — > 5 = ^ » z =- j ■■ > 

worin 



^ = V[bc' - r//)2 4- [ra' - ae')* + (ab' - W)2 

und 

(2) X2 4. ys 4-/2=1. 



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Ii 1 Anmerkungen. 

Die Quadratwurzel ist positiv zu nehmen, wenn die Richtungen 
der positiven dp , dq, dn in demselben Sinne auf einander 
folgen, wie die der positiven x, ?/, s-Axe. (Man braucht, nm 
dies einzusehen, nur die Richtungen von sc, //, % mit dp, dq, dn 
zusammenfallen zu lassen.) 

Das Quadrat des Linienelementes ds auf der Fläche ü 
hat den Ausdruck 

,/. s -2 = dx* + dy l -f- dx' 1 = Edp* -f- 2 Fdpdq + Gdg* , 

worin 

E = «2 + &2 + , 

7?' = aa' + cc', 

ö = a"* 4- //2 -4- ß'*. 

J l — EG — F 1 , 
und für das Oberflachenelement r/T kann man setzen 

dV = J dp dq = VEG^F* dp dq . 

Wenn nun durch die Variation von V die Coordinaten jc, y, x, 
eines Punktes in ./ -|- ÖV, // -f- (5//, ~ + dz übergehen, so 
können auch dx, iy, dte als Functionen von p und </ be- 
trachtet werden, und es ergiebt sich 

ö V — ff \ FÖ (i + IUÖE- FÖF) ( ^p- 

= y*; J F() (V + i - FiF) ^ • 

Um nun diesen Ausdruck weiter umzuformen, bedienen wir 
uns des Zeichens um die Summe dreier entsprechender, 
auf die d y //, s bezüglicher Ausdrücke zu bezeichnen, also 
z. H. F= F= 5a«, (V = 2a'«, und 

|dJ?= 2a<Ja, cU'= I aöa' 4- a'iaj, Jdc; = Za'da'. 

Setzen wir noch zur Abkürzung 




Anmerkungen. 65 

so folgt 

ÖU =Js($da + g da) dp dq ; 

darin ist 

b ()x 



und folglich 
und wenn hierin 



bx bdx ß ^ 


.. b X 


bp bp 1 


* 






^.böx biidx 
s b p bp 




^bdx bgdx 

* bq ~ bq 


*3 



gesetzt wird, so zerfällt öf r in zwei Theile 
die wir so darstellen: 



In dem ersten Thejl (5 7^ lilsst sich eine Integration ausführen 
(ähnlich wie in Art. 22), und es ergiebt sich für ö (\ ein über 
den Rand P zu erstreckendes Integral 

dt', =f2{$dq-gdl,)ÖX, 

worin aber dp, dq nicht mehr im absoluten Sinne, sondern 
mit dem Vorzeichen behaftet zu nehmen sind, das einem posi- 
tiven Element der Randcurve dP entspricht (Art. 20). 

Setzt man in £, §' für E, F, G ihre Ausdrücke durch 
a y a'j . . . ein, so ergiebt eine leichte Rechnung 

(4) < = &'Z-c'y, g = -bZ + cY, 

OstwalU's Klassiker. 135. 5 



I 



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66 Anmerkungen. 

und demnach erhält man für dl\ 

Ö U { =J 2 [Zdy - Ydx) Öx , 

worin die dx, dy y dz die Projectionen von dP auf die Co- 
ordinatenaxen sind. Es ist aber nach der Bezeichnung im Text 

X = cos (1, 4) , dx = dP cos (1, 6) , öx — de cos (1, 5) , 

und da die Richtung 7 auf 4 und 6 senkrecht steht, während 
6, 7, 4 in demselben Sinne auf einander folgen wie 1, 2, 3, 
so ergiebt sich 

6U X = — J de cos (5, T)dP, 

was der erste Theil des Ausdruckes d U in Art. 26 ist. 

Es ist nun der zweite Theil d U% von d U umzuformen. 
Nach der Definition der a, b } c, a\ b\ e ist 

b a ba' a 2 x 
bq bp bpbq 

und demnach ergiebt sich nach (4) 



etc. 



öf öi" , f bZ t bY bZ bY 

-. 4- ^ = b - - c! h-- + e— , 

bp bq bp bj) bq bq 

br, bt]' r bX ,bZ bX bZ 

v— -H v = '* -c « r v- + « . , 

ö^; 07 öj> oj> 07 07 

dC , ÖL' , ÖY ÖA' bY , ÖA" 
= - b .— —~a——-\-b 



07; 07 dy> 07 07 

Multiplicirt man diese Gleichungen der Reihe nach mit 
sodann mit //, r', und addirt jedesmal, so folgt mit Rück- 
sicht auf (1), (2) 

Saß + H '\ =J2X hX =0 
^ \öj; 07/ bp 1 

Daraus aber ergiebt sich, dass die drei Grössen: 

o£ ajT ^5 öiy' öj; 

bp + d7 ' + "d _ 7 ' öy> + ~bq 

den 

r, z 



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Anmerkungen. 67 
proportional sind. Wir setzen 

bp bq 

woraus durch Multiplication mit X, Y, Z und Addition 

folgt, und es wird 

<J r 2 = — JJ LJSXdx • dpdq , 
oder in der Bezeichnung des Textes Art. 25 

dU 2 = —f L co 3 (4, 5) öedTJ. 

Multipliciren wir die Gleichungen (5) mit X 7 l' ? Z und ad- 
diren, so folgt nach (4) und (6) 

LJ = 2^~ (c r Y - b'Z) - 2 (*Y - bZ) 
und nach (3) 

LJ* = - ©Ja \- + Flsa' ^ + a^'j - K2a' ^ • 

\ bp 07/ ö 7 



Aus IaX = 0, 2a X = 0 ergieht 
neue Zeichen E', F\ 0' einführen 


sich aber, 


2a *f = - -A- * " 




^a' hX — - ^X U 
bp ' bp 




2a \ X = -2X^ 
b 7 bq 


■ 


bq bq 


= -ö', 



5* 



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68 Anmerkungen, 
woraus folgt 

= QE' — 2 FF' 4- EG'. 

Denken wir uns vom Punkte p, q aus eine geodätische Linie 
auf der Fläche U gezogen, und nehmen an, dass auf dieser 
die Coordinaten x, y, z (oder p, q) als Functionen der Länge r 
dieser Linie gegeben seien, so ergiebt sich 

worin q den Krümmungsradius der geodätischen Linie bedeutet, 
positiv gerechnet, wenn die Curve ihre convexe Seite nach der 
Richtung der positiven (äusseren) Normalen kehrt. (Die Zeichen- 
bestimmung ergiebt sich, wenn man die x-Axe in die positive 
Normale legt.) Es ist aber 

d 2 x d 2 p , d 2 q I da dp da dq\ dp 
a d7* + a dr 2 + [dp dr + dq ~dr) dr 



Mdp da[dq\dq 
^\dp dr^ dq drjdr 



und daraus folgt, wenn man die Gleichungen (7) mit X, I r , Z 
multiplicirt und addirt 

« -i-*fö) ,+, '*S +ar ©)' 

während ausserdem 

k 

sein muss. Die Richtungen der grössten und kleinsten Krttm- 

dp da 

mung erhält man, wenn man und ~ so bestimmt, dass 

der Ausdruck (8) unter der Bedingung (9) ein Extremwerth wird. 
Dafür ergeben sich nach den Regeln der Differentialrechnung 
die Bedingungen 

[E + qE')dp + (F -f- QV')dq = 0 , 
(F + Q F')dp + (0 + qG')dq = 0 , 



*) Vgl. Untersuchungen über krumme Flächen Art. 14. 



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Anmerkungen. 69 

oder durch Elimination von dp, dq die quadratische Gleichung 
für 1 

Q . .- . 

^ + j[EG'+GE' — 2 FF') + (E' G' — F*) = 0 . 

Hieraus aber folgt, wenn R und R' die Hauptkrtimmungshalb- 
messer sind 



also 



_1 1 EG' + QE^_—2FF' 

R R' ' ~~ ' 



dU 2 =föe{± + ±) cos (4, b)dU, 



wie in Art. 26. 

2) Zu Art. 20 (S. 48). Der Ausdruck für ö U 

d U = -f 5e cos (5, 7)dP+f 5e cos (4, 5) (1 + -LJ d U 

lässt sich auf folgende Weise geometrisch ableiten. 

Wir denken uns von jedem Punkt der Fläche U die Nor- 
male n gezogen und bezeichnen ein Element dieser Linie bis 
zum Schnitt mit der variirten Fläche mit ön (positiv nach 
aussen). Die Variation ist dabei so angenommen, dass nicht 
nur die Verschiebung der Punkte, sondern auch die Aenderung 
in der Richtung der Tangentialebene überall unendlich klein 
ist, was auch in den Öawss'schen Entwicklungen stillschweigend 
vorausgesetzt ist. Es ist dann de cos (4, 5) = ön . 

Wenn wir mit dto das sphärische Bild des Elementes dU 
bezeichnen, so ist (vgl. Gauss, Flächentheorie, Art. 6, 8) 

dü=rRR'dio. 

Verbindet man die Endpunkte aller Normalen d«, die über 
dem Element dlT stehen, durch eine Fläche, so entsteht ein 
neues Flächenelement dU -f- ödU , dessen sphärisches Bild 
gleichfalls diu ist, in dem aber die Krümmungsradien 

R + ön , R' + Ön 

sind, da man in dem unendlich kleinen Element dU die Strecke 
ön als constant betrachten kann. Es ist also 

d U + Öd U ={R + ön) [R' -f. ön) dvj , 



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70 Anmerkungen. 



also mit Vernachlässigung von dn 2 

dd U + B') dndiu = + dn d U . 

Es sei nun ferner v die Richtung der Flächentangonte, die 
von einem Punkt des Elementes dP der Begrenzung von V 
ausgeht und auf dP normal steht und von dem Flächensttick 
U gesehen nach aussen gerichtet ist, und dv sei die Pro- 
jection der Verschiebung de von dP auf v. Dann ist 

dv = — de cos (5, 7) , 

und övdP ist die Fläche eines Rechtecks, dessen Seiten dv 
und dP sind, und die Summe aller dieser Flächen ist bis auf 
unendlich kleines höherer Ordnung gleich dem Zuwachs, den 
die Fläche U durch die Verschiebung der Grenze erfahren hat. 
Hieraus ergiebt sich für den ganzen Zuwachs von U 

dU=fdvdP+f{±+*,}dndU, 

was wieder mit der Formel des Art. 26 tibereinstimmt. 
3) Zu Art 28 (S. 50). Nach Art. 28 soll das Integral 

w f[ x + "ß+wj\' nin 

für alle Variationen dn verschwinden, die am Rande P überall 
= 0 sind, und die der Bedingung genügen 

(2) f Ön d U = 0 ; 

es wird geschlossen, dass dies unmöglich ist, wenn nicht der 
Ausdruck 




den wir für den Augenblick mit Q bezeichnen wollen , über 
die ganze Fläche U constant ist. Vorausgesetzt muss dabei 
werden, dass Q nicht unstetig sei. 

Man überzeugt sich hiervon auf folgende Weise. Ange- 
nommen, es seien zwei Punkte A, B auf der Fläche vorhanden, 
in denen Q verschiedene Werthe Q\ und Qu hat, nnd es 



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Anmerkungen. 



71 



sei etwa Qa <. Qu- Man nehme irgend einen Zahienwerth C 
zwischen diesen beiden Werthen an, so dass also 

Qa < C < Q H 

ist. Nun kann man wegen der Stetigkeit von Q um die Punkte 
A und Ii zwei Gebiete a, b auf der Fläche U abgrenzen, so 
dass in a alle Werthe Q a von Q kleiner, in h alle Werthe Q b 
grösser als C sind, dass also Q a — C in a negativ, Q b — C 
in b positiv ist. Man nehme nun du ausserhalb der Gebiete a , b 
überall gleich Null, in a aber du negativ, in b positiv, und 
so, dass 

(3) f Öu a dU a -h j dn b dU b = 0 

wird, was offenbar immer möglich ist. 
Dann soll also 

(4) fQ a dn a d U a +f() b ön b dV b = 0 

sein. Multiplicirt man aber (3) mit C und snbtrahirt das Pro- 
duct von (4), so folgt 

f{Qa - n d»a d r a + f{Q b - C) Ön b dr b = Q. 

Dies ist aber unmöglich, weil {Q a — C)dn a und (Q b — <')dn ti 
nur positive Werthe haben. Unsere Annahme, dass Q A von 
Qu verschieden sei, ist also unstatthaft, d. h. es muss Q in 
der ganzen Fläche U constant sein. 

4) Zu Art. 34 (S. 67). Die Bestimmung der Capillar- 
constanten leidet ausser an den von Gauss erwähnten Schwie- 
rigkeiten vor allem noch an der Schwierigkeit, eine reine 
OberHäche herzustellen. In der That liefern Methoden, die 
es gestatten, mit möglichst frischen oder noch besser mit sich 
immer erneuernden Oberflächen zu arbeiten , stets grössere 
Werthe für die Capillarconstante, als andere Methoden. Ganz 
besonders gilt dies vom Quecksilber. Nach den neuesten 
Untersuchungen scheint die OberHäche von Quecksilber Gase 
zu condensireu, was sich durch ständige Abnahme der Ca- 
pillarconstanten zu erkennen giebt. Stöckle*) wies nach, 
dass im Vacuum der Werth der Capillarconstanten nicht ab- 
nimmt. Die Maximalwerthe ftir Quecksilber sind die von 

*) Wiedemann's Annaleu. OG, 499. 



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72 



Anmerkungen. 



G. Quincke*), gefunden mit der Steighöhenmethode bei her- 
vorragend reinem Quecksilber, und die von G. Meyer**) mit- 
tels »schwingender Strahlen«. Ist r die Dichte (für Quecksilber 
13,6), so ist nach Gauss' schar Bezeichnung a 2 • c die Grösse, 
die man heute allgemein »Capillarcoustante« nennt. Für diese 
findet 

G. Quincke 52,25 bis 56,43 ™ g , 

mm 

Ii. Meyer 50 bis 53 B - 

inm 

mg 

gegenüber dem Werthe von Gauss, der 44,2 — angiebt. 

mm 

Andere neuere Beobachtungen ergeben, dass diese Werthe bis 
mg 

etwa 37 im Contact mit Gasen abnehmen können***), 
mm ; 

5) Zu Art. 34 [S. 67, unten). Die hier von Gauss vor- 
geschlagene Methode ist von G. Quincke zur Messung der Ca- 
pillarconstantcn des Quecksilbers mittels Quecksilbertropfen j] 
und zur Messung der von anderen Flüssigkeiten mittels Luft- 
blasen sowie zur Messung von »Grenzflächenspannungen« ffj 
verwendet worden. 



i 


AT 


r 







Bedeutet u den constauten Krümmungsradius an der höch- 
sten Stelle des Tropfens, und A" die Höhe dieses höchsten 



* Wiedemann's Annalen. 52, 19. 
**) Ebd. «6, 523. 

*** Vgl. hierüber die Zusammenstellung bei A. Kalähnc. Ann. 
der Phvs 7, 473. 

•f Voggendorff s Annalen. 105, 1. 
tv Ebd. 129, 1. 



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Anmerkungen. 7J> 

Punktes über der festen HorizontaLebene . so liefert die erste 
Fundamentalgleichung (VI) (S. 50) die Relation 

11 _ 2 K — % 

Ii + W ~ u a 2 

Unter Berücksichtigung, dass der Tropfen als Rotationskörper 
anzusehen ist, wird diese Gleichung 

d 2 z 1 dz 

dx 1 x dx 2 K — z 

~ H "7 " ' ~ = ■ -T * 



1 + (,;,) J V 1 + (,,.;) 



Diese Differentialgleichung bietet der Integration grosse 
Schwierigkeiten, und ist von Quincke auch nur unter gewissen 
vereinfachenden Annahmen integrirt worden. Ist der Tropfen 
sehr ausgedehnt, so wird er an der Stelle K nahezu eben, 
also u sehr gross. Ks wird ferner, wenn 1? den Krümmungs- 
radius der Curve KkE bezeichnet, 11' sehr gross, und die 
Differentialgleichung erhält die Form 

d 2 z 

dx' 1 K~— , 

((' 



> 

— • 



v>+W 



Diese Gleichung lässt sich leicht- integriren, und giebt das 

1 (K - :,)* 



erste Integral 



1 - 



,l v \2 2ff 2 ' 



worin • die Integrationsconstante aus der Bedingung bestimmt 

d z 

wird, dass . = 0 sein muss für z = Ä". Setzt man darin 

d x 

d z 

% — k und ^ unendlich, so folgt die sehr einfache angenäherte 
Relation: 2 « 2 = ( A" — k) 2 . 

Sind die Voraussetzungen nicht hinreichend erfüllt, so treten 
noch Correctionen hinzu, bezüglich derer wir auf die Original- 
arbeiten verweisen müssen. 



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Druck von Kreitkopf & Härtel in Leipzig. 



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II) 

no. /$f 
HIST